Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) vom 09.06.2021 - 30 F 2022/20 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen obliegt dem Amtsgericht die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Die beschwerdeführende Jugendliche begehrt die gerichtliche Genehmigung einer für sie durch ihre Mutter vorgenommenen Erbausschlagung in einer Nachlassangelegenheit.

Die alleinsorgeberechtigte Mutter hat nach Versterben des M... N..., des Onkels väterlicherseits des Kindes, die Erbschaft für das Kind ausgeschlagen (Bl. 2) und hierfür die familiengerichtliche Genehmigung erbeten. Die weiter als Erbin in Betracht kommende Witwe des Verstorbenen hat die Erbschaft mit Erklärung vom 20.07.2020 angenommen (Bl. 6).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 09.06.2021 (Bl. 35) hat das Amtsgericht die Genehmigung versagt, da der Nachlass nicht überschuldet sei.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der betroffenen Jugendlichen (Bl. 42) hat das Amtsgericht mit Nichtabhilfebeschluss vom 16.06.2021 (Bl. 43) dem Senat vorgelegt.

II. Die nach § 58 ff statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen die Endentscheidung des Amtsgerichts, die einer Selbstabhilfe durch das Amtsgericht nicht zugänglich ist (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 68 Abs. 1 S 2 FamFG), hat vorläufig Erfolg dahin, dass die Sache auf den von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 09.08.2021 (Bl. 50) gestellten Antrag hin aufzuheben und an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist, § 69 Abs. 1 S 3 FamFG.

Die Erbausschlagung ist genehmigungsbedürftig nach § 1643 Abs. 2 S 1 BGB, da die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter außerhalb des Erbganges steht, so dass die Ausnahmevoraussetzungen einer Genehmigungsfreiheit nach S. 2 dieser Bestimmung fehlen. Die Ausschlagung eines überschuldeten Nachlasses entspricht regelmäßig sowohl dem Kindeswohl als auch den Vermögensinteressen des Kindes.

Das Verfahren des Amtsgerichts, nach dessen Standpunkt es auf eine Überschuldung des Nachlasses ankommt, leidet an einem wesentlichen Mangel, weil es diesen von ihm selbst für erheblich gehaltenen Umstand nicht ausreichend aufgeklärt hat.

Das Verfahren zur familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung nach § 1643 Abs. 2 BGB ist eine Kindschaftssache nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 FamFG (vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 151 FamFG, Rn. 7); in diesen Verfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG). Das Familiengericht ist deshalb verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und hierbei sämtliche Umstände zu ermitteln, die ihm eine Prüfung und Gesamtwürdigung der entscheidungserheblichen Umstände ermöglichen. Dabei muss das Gericht zwar nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachgehen. Der Umfang der einzuleitenden und durchzuführenden Amtsermittlung ist aber so weit auszudehnen, wie es die Sachlage erfordert. Richtung und Umfang der Ermittlungen, die sich stets an der Lage des Einzelfalls orientieren müssen, werden durch die Tatbestandsmerkmale der anzuwendenden materiell-rechtlichen Vorschriften bestimmt und begrenzt. Zur Frage der Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind bedarf es über gerichtsinterne Nachfragen hinaus weiterer Ermittlungen. Dazu gehören neben der - hier zum 26.01.2021 (Bl. 18) und der zum 17.02.2021 (Bl. 22) erfolgten - Beiziehung der Nachlassakten und eines Grundbuchauszugs (Bl. 23ff.) über ein - nach derzeitiger Aktenlage - zur Erbmasse zählendes Gebäudeeigentum eine sorgfältige Prüfung einer möglichen Überschuldung (vgl. Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2018, § 26 FamFG, Rn. 35b). Angesichts der in der Dritten Abteilung des Gebäudegrundbuchs von ..., Blatt ..., am 03.03.2009 eingetragenen Zwangssicherungshypothek über 2.070,74 EUR zugunsten einer (X) GmbH am 03.03.2009, mit der das von dem betroffenen Kind zu erbende Gebäudeeigentum belastet sein könnte, bedarf es einer weiteren amtswegigen Überprüfung des Werts des Gebäudeeigentums und des Fortbestands der dinglichen Belastung. Auf die bloße Mitteilung des Verfahrensbevollmächtigten der Miterbin (Bl. 32), der Nachlass sei nicht überschuldet, konnte sich das Amtsgericht insoweit nicht ohne weitere Prüfung verlassen.

Die unterlassene Aufklärung führt, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, und um ihr keine Tatsacheninstanz zu entziehen, zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, damit dieses die notwendigen Ermittlungen (§ 26 FamFG) nachholt.

Die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Die übrige Kostenentscheidung über das Beschwerdeverfahren ist dem Amtsgericht vorzubehalten (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG, 5. Aufl., § 69, Rn. 29 m.w.N.).

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14711843

NJ 2021, 452

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