Verfahrensgang
AG Brandenburg (Entscheidung vom 09.05.2019; Aktenzeichen 24 OWi 651/18) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 9. Mai 2019 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg hat mit Bescheid vom 6. September 2018 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um mindestens 41 km/h (nach Toleranzabzug), was am ... . April 2018 um ... Uhr auf der Bundesautobahn 2 bei km ... Fahrtrichtung Autobahndreieck W..., mit dem Pkw amtliches Kennzeichen ... begangen worden sein soll, ein Bußgeld in Höhe von 160,00 € festgesetzt und gemäß § 4 Abs. 1 BKatV, Ziff. 11.3.7 BKat ein Fahrverbot von einem Monat unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet.
Nachdem der Betroffene gegen den Bescheid form- und fristgerecht Einspruch erhoben hatte, hat die Bußgeldrichterin des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel mit Verfügung zuletzt vom 21. Februar 2019 Termin zur Hauptverhandlung auf den 9. Mai 2019, 13:00 Uhr, anberaumt und den Betroffenen sowie seinen Verteidiger förmlich geladen.
Zur Hauptverhandlung waren weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen. Das Amtsgericht hat dennoch in Abwesenheit des Betroffenen die Hauptverhandlung durchgeführt und den Betroffenen "wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h zu einer Geldbuße von 160,00 € verurteilt" und zugleich "dem Betroffenen für die Dauer von einem Monat verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen". Die noch im Bußgeldbescheid gewährte Gestaltungsmöglichkeit nach § 25 Abs. 2a StVG bleibt im Urteilstenor unerwähnt.
Das Urteil wurde Verteidiger des Betroffenen am 3. Juni 2019 förmlich zugestellt. Mit ebenfalls am 3. Juni 2019 bei Gericht angebrachten Anwaltsschriftsatz vom selben Tag hat der Betroffene Rechtsbeschwerde erhoben und diese mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet, dabei insbesondere hervorgehoben, dass das Bußgeldgericht keine Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen hätte durchführen und kein Sachurteil hätte erlassen dürfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 21. August 2019 beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel zurückzuverweisen.
II.
Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg; das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft und gemäß §§ 341, 344, 345 StPO iVm. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.
2. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Die von dem Betroffenen erhobene Verfahrensrüge des Verstoßes gegen §§ 73, 74 Abs. 1, 2 OWiG greift durch.
a) Die Rüge, das Amtsgericht hätte nicht durch Sachurteil entscheiden dürfen, da das Amtsgericht zu Unrecht in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt habe, genügt den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG.
b) Das angefochtene Urteil unterliegt auf die zulässig erhobene Verfahrensrüge schon deswegen der Aufhebung, weil den Urteilsgründen nicht entnommen werden kann, ob die Voraussetzungen für die Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten überhaupt vorlagen. Auch für die Hauptverhandlung bei Ordnungswidrigkeiten gilt die grundsätzliche Anwesenheitspflicht des Angeklagten (§ 73 Abs. 1 OWiG), von der nur im geregelten Ausnahmefall abgewichen werden kann (vgl. 73 Abs. 2 OWiG; für das Strafverfahrens siehe auch §§ 231 Abs. 2, 231a, 231b, 231c 232, 233, 247, 329 Abs. 2, 350 Abs. 2, 387 Abs. 1, 411 Abs. 2 Satz 1 StPO). Ebenso wie bei einem Verfahren nach 74 Abs. 2 OWiG müssen bei einem Verfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG die Urteilsgründe die Voraussetzungen für die Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten dartun, woran es hier fehlt. Da sich die Urteilsgründe zu den Voraussetzungen eines Sachurteils bei Abwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht verhalten, leidet das Urteil an einem erheblichem Darstellungsmangel, da dem Senat eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise des Bußgeldgerichts nicht möglich ist.
c) Als Besonderheit des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gilt eine Ausnahme vom Anwesenheitsgrundsatz dann, wenn der Betroffene von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden ist (§ 73 Abs. 2 OWiG). Ist dies nicht der Fall, kann in seiner Abwesenheit kein Sachurteil ergehen, sondern es muss entweder die Verhandlung vertagt werden oder eine Verw...