Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerecht für das Kind
Verfahrensgang
AG Nauen (Urteil vom 30.10.2002; Aktenzeichen 21 F 320/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Vaters wird das Urteil des Amtsgerichts Nauen vom 30. Oktober 2002 (AZ: 21 F 320/01) in seinem Ausspruch über das Sorgerecht für das Kind R. W., geboren am 1. Juni 1990 (Absatz 2 des Tenors), abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antrag der Mutter, ihr das alleinige Sorgerecht für R. zu übertragen, wird zurückgewiesen; es verbleibt beim gemeinsamen Sorgerecht der Eltern.
II. Der Hilfsantrag der Mutter, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für R. zu übertragen, wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Vaters führt im tenorierten Umfang zur Abänderung des Scheidungsurteils. Eine (auch nur teilweise) Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter ist nicht geboten.
1. Das gesetzliche Leitbild für die elterliche Sorge bei Getrenntleben – und damit auch
nach Scheidung – ist nach § 1671 BGB seit Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes am 1. Juli 1998 die gemeinsame elterliche Sorge. Wenn ein Kind – wie hier – nach wie vor eine emotionale Bindung zu beiden Eltern hat, soll ihm damit das Gefühl gegeben werden, dass beide Eltern für es Verantwortung tragen (Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1671 Rdnr. 17 m.w.N.).
Gemäß §§ 1671 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 BGB ist die elterliche Sorge nur dann auf Antrag ganz oder teilweise einem Elternteil allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.
a. Zwischen den Eltern besteht derzeit offenkundig Grundkonsens in den wesentlichen, den Sohn betreffenden Fragen. Sie sind sich einig, welche Schule das Kind besucht, über seine religiöse Erziehung sowie über die Frage, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, nämlich bei der Mutter in F. in seinem gewohnten sozialen Umfeld.
b. Die abstrakte Befürchtung der Mutter, dass es künftig in Fragen der elterlichen
Sorge auch einmal konträre Positionen geben könnte, rechtfertigt die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht. Zu den in der Verhandlung vor dem Senat angesprochenen aktuellen Fragen der elterlichen Sorge (Schulwahl, Gesundheitsfürsorge und Jugendweihe) hat der Vater ausdrücklich erklärt, er stimme mit den Vorstellungen der Mutter überein. Falls es in Einzelfragen zwischen den Eltern zu Meinungsverschiedenheiten kommen sollte, steht zudem notfalls die Möglichkeit offen, eine gerichtliche Entscheidung nach § 1628 BGB herbeizuführen.
c. Nach überkommener Meinung kann die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dann im Interesse des Kindeswohls geboten sein, wenn es den Eltern in einem Mindestmaß an der objektiven Fähigkeit und der subjektiven Bereitschaft zur Kooperation mangelt oder sich ernsthafte Zweifel am Willen der Eltern oder eines Elternteils zur Zusammenarbeit für das Beste des Kindes ergeben (Kammergericht, FamRZ 2000, 504; FamRZ 1999, 504/505; Johannsen/ Henrich/Jaeger, EheR, 3. Aufl., 1998, § 1671, Rdnr. 36; Schwab, Elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung der Eltern, FamRZ 1998, 457, 463).
Unbeschadet der Frage, ob dies allgemein gelten kann oder nur, soweit davon Nachteile für das Kindeswohl ausgehen oder zu erwarten sind, erscheint eine Kommunikation zwischen den Eltern hier objektiv – zumindest schriftlich oder per E-Mails – in den wenigen denkbaren Fällen möglich. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Weigerung der Mutter, mit dem Vater zu kommunizieren, auf den ihr vom Vater zugefügten körperlichen und seelischen Verletzungen beruht. Dies hindert sie allerdings auch nicht, ihn in finanziellen Fragen zu kontaktieren. Sie verweigert lediglich die Kommunikation mit ihm in Angelegenheiten der elterlichen Sorge.
Daraus ergibt sich die Frage, ob – unabhängig vom Verschulden – bei einseitiger Kommunikationsstörung die Erziehungsfähigkeit des nicht kooperationsfähigen Elternteils tangiert ist. Der vorliegende Fall bietet aber derzeit noch keinen hinreichenden Anlass, diese Frage zu prüfen.
d. Die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge entspricht zudem dem gefestigten Willen und Wunsch des inzwischen 12 ½ jährigen Sohnes. Bei der Anhörung durch den Senat machte R. einen sehr aufgeweckten Eindruck und hat bei der Äußerung seines Wunsches deutlich gemacht, dass er den wesentlichen Kerninhalt des gemeinsamen Sorgerechts versteht. Durch die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bestünde dann aber die Gefahr, dass das derzeit sehr gute emotionale Verhältnis zum Vater beeinträchtigt werden könnte.
e. Die Befürchtungen der Mutter hinsichtlich des Erzi...