Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 15.06.2021 aufgehoben.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin zu 2) ist die Mutter des Antragstellers zu 1). Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) waren bei der Geburt des Antragstellers zu 1) am 03.03.2020 verheiratet. Die Ehe besteht weiterhin. Die drei Beteiligten haben begehrt festzustellen, dass zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 3) ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - aufgrund der jeweils am 24.03.2021 erlassenen Vorlageentscheidungen des Kammergerichts - KG - (3 UF 1122/20) und des OLG Celle (21 UF 146/20) ausgesetzt. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf jenen Beschluss Bezug genommen.

Die Antragsteller haben gegen den Aussetzungsbeschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Sie sind der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nicht vorlägen und haben deshalb um antragsgemäße Sachentscheidung gebeten. Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und es dem Oberlandesgericht vorgelegt.

B. I. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gemäß § 21 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft (BGH, Beschluss vom 10.10.2012 - XII ZB 444/11, FGPrax 2013, 42 Rn. 8) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt worden.

II. Die sofortige Beschwerde ist begründet und führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 21 Abs. 1 FamFG liegen auf der Grundlage der vom Amtsgerichtgeäußerten Rechtsauffassung nicht vor.

1. Nach § 21 Abs. 1 FamFG kann das Gericht das Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Von der Aussetzungsbefugnis soll das Gericht somit nur aus besonders triftigen sachlichen und im Einzelnen darzulegenden Gründen Gebrauch machen (OLG München, Beschluss vom 18.08.2011 - 31 Wx 300/11, FGPrax 2011, 250 BeckOK FamFG/Burschel, 39. Edition 1.7.2021, FamFG § 21 Rn. 9).Damit ein Umstand als wichtiger Grund anerkannt werden kann, genügt nicht bereits jede denkbare Erleichterung; andererseits ist keine zwingende Notwendigkeit zu verlangen (MüKoFamFG/Pabst, 3. Aufl. 2018, FamFG § 21 Rn. 6). Das Vorliegen eines Aussetzungsgrundes als Voraussetzung für die Ermessensentscheidung unterliegt im Beschwerdeverfahren der uneingeschränkten Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht (BGH, Beschluss vom 10.10.2012, a.a.O., Rn. 12).

2. Das Amtsgericht hat die Aussetzung des Verfahrens zu Unrecht darauf gestützt, dass zwei Beschwerdegerichte, nämlich das OLG Celle und das KG, in vergleichbaren Fällen - der begehrten Feststellung, dass zwischen einem Kind und der Ehefrau von dessen Mutter ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht - die dort anhängigen Beschwerdeverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt und eine Entscheidung des BVerfG zu der Frage eingeholt haben, ob § 1592 Nr. 1 BGB mit Art. 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG bzw. mit Art. 6 Abs. 2, 6 Abs. 1 GG vereinbar ist (OLG Celle, Beschluss vom 24.03.2021 - 21 UF 146/20, NZFam 2021, 352 KG, Beschluss vom 24.03.2021 - 3 UF 1122/20, NJOZ 2021, 840).

Allerdings ist die Aussetzung des Verfahrens nach § 21 Abs. 1 FamFG ohne gleichzeitige Vorlage an das BVerfG grundsätzlich möglich, wenn die Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes bereits Gegenstand einer anhängigen Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) oder Richtervorlage (Art. 100 Abs. 1 GG) geworden ist. Voraussetzung für eine solche Aussetzung ist allerdings, dass sich das mit der Hauptsache befasste Fachgericht noch keine abschließende Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Rechtsnorm gebildet hat. Im anderen Falle kann und muss das von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugte Gericht sein Verfahren durch Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das BVerfG fördern (BGH, Beschluss vom 10.10.2012, a.a.O., Rn. 17 s. a. BGH, Beschluss vom 25.03.1998 - VIII ZR 337/97, NJW 1998, 1957, 1958). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt angesichts der Rechtsausführungen des Amtsgerichts eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht.

a) Soweit im vorliegenden Fall die Frage zu beurteilen ist, ob Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 1592 Nr. 1 BGB bestehen, ist in dem durch § 21 Abs. 2 FamFG eröffneten Rechtsmittelzug allein die Rechtsansicht des Amtsgerichts zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschluss vom 10.10.2012, a.a.O., Rn. 13). Das mit einem Rechtsmittel gegen eine Aussetzungsentscheidung befasste Fachgericht kann seine eigene Überzeugu...

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