Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Wirksamkeit der Zustellung an einen Verteidiger, der eine sogenannte "Blankovollmacht" vorgelegt hat.
Normenkette
OWiG § 33 Abs. 1 Nr. 9
Verfahrensgang
AG Senftenberg (Entscheidung vom 08.05.2009; Aktenzeichen 54 OWi 658/08) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Senftenberg vom 8. Mai 2009 wird als unbegründet verworfen.
Die Betroffene trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
Gründe
I.
Der Zentraldienst der Polizei, Zentrale Bußgeldstelle, des Landes Brandenburg ermittelte gegen die Betroffene wegen des Vorwurfs einer am 13. Mai 2008 begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der Bundesautobahn 13 um 44 km/h. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2006 meldete sich Rechtsanwalt S. für die Betroffene und zeigte "unter versicherter Bevollmächtigung" an, dass die Betroffene ihn in der Ermittlungssache mit ihrer Interessenvertretung beauftragt habe. Die Betroffene werde sich derzeit nur über ihn äußern. Er bat weiter darum, jede weitere Korrespondenz in dieser Angelegenheit ausschließlich über seine Kanzlei zu führen und beantragte Akteneinsicht. Weiterhin beantragte er, das Verfahren gegen die Betroffene einzustellen und machte Ausführungen zu deren Verteidigung.
Dem vorgenannten Schriftsatz beigefügt war eine von der Betroffenen unter dem 25. Juni 2008 unterzeichnete Vollmacht, mit der unter Angabe des Aktenzeichens der Bußgeldbehörde und des Datums der ihr vorgeworfenen Verkehrsordnungswidrigkeit Vollmacht zu ihrer "außergerichtlichen Vertretung" erteilt wird. Im Text der Vollmacht wird unter anderem zu "außergerichtlichen Verhandlungen aller Art" ... "und zur Entgegennahme von Schriftstücken" ermächtigt. Im Kopf der Vollmacht steht in Großbuchstaben fettgedruckt und in einem Kästchen eingefasst die folgende Zeile:
"Zustellungen werden nur an den/die Bevollmächtigte(n) erbeten!"
Ein Vollmachtsnehmer ist in der Vollmachtsurkunde jedoch nicht bezeichnet. Der Teil im Kopf der Vollmacht, in dem die Benennung des Bevollmächtigten zu erwarten wäre, ist leer.
Am 27. August 2008 erließ die Bußgeldbehörde gegen die Betroffene einen Bußgeldbescheid, der am 29. August 2008 Rechtsanwalt S. zugestellt wurde; eine Zustellung an die Betroffene erfolgte nicht.
Auf den dagegen rechtzeitig eingelegten Einspruch der Betroffenen hat das Amtsgericht sie mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 100,00 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat gegen sie angeordnet. Hiergegen richtet sich die in jeweils zulässiger Weise eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Betroffenen, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt und den Eintritt der Verfolgungsverjährung geltend macht, weil die an Rechtsanwalt S. bewirkte Zustellung des Bußgeldbescheids unwirksam gewesen sei.
II.
Das Rechtsmittel der Betroffenen hat keinen Erfolg.
1.
Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob das Verfahrenshindernis der Verjährung eingetreten ist. Dies ist nicht der Fall. Erörterungsbedürftig ist insoweit lediglich die Wirksamkeit der Zustellung des Bußgeldbescheids am 29. August 2008 an Rechtsanwalt S., die nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG Voraussetzung für den Eintritt der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung durch den Erlass des Bußgeldbescheides war.
a.
Die Wirksamkeit der Zustellung kann aus der gesetzlich fingierten Zustellungsvollmacht des Verteidigers gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG folgen. Nach dieser Vorschrift gelten der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, sowie der bestellte Verteidiger als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen. Folge dieser gesetzlichen Fiktion ist es, dass es unerheblich ist, ob sich in der vom Wahlverteidiger zu den Akten gereichten Vollmachtsurkunde eine ausdrückliche Ermächtigung zur Entgegennahme von Zustellungen befindet oder nicht; diese kraft Gesetzes bestehende Zustellungsvollmacht kann auch nicht unter Aufrechterhaltung der Verteidigervollmacht im Übrigen durch den Betroffenen ausgeschlossen werden (Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 51 Rn 44a m.w.N.).
Ob eine Verteidigervollmacht besteht, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Die Bevollmächtigung bedarf dabei keiner bestimmten Formulierung. Es kann deshalb - auch unabhängig von der ausdrücklichen Formulierung der "Verteidigung" - aus den äußeren Umständen, insbesondere aus der Willensbekundung, den Betroffenen zu vertreten, auf ein Verteidigerverhältnis geschlossen werden ( Senat vom 4.10.2007 - 2 Ss (OWi) 142B/07 - VRS 113, 434f ).
Vorliegend spricht alles dafür, dass Rechtsanwalt S. schon vor Zustellung des Bußgeldbescheids an ihn als Verteidiger der Betroffenen aufgetreten ist. Er hat sich mit Schriftsatz vom 30. Juni 2008 für die Betroffene gemeldet und "unter versicherter Bevollmächtigung" angezeigt, dass die Betroffene ihn "in obiger Ermittlungssache mit ihrer Interessenvertretung beauftragt" habe. Die Betroffene ...