Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliges Anordnungsverfahren: Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil; Kontinuität als maßgeblicher Faktor für Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts
Normenkette
BGB §§ 1666, 1666a, 1671 Abs. 1 Nr. 2, § 1696 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 11.09.2015; Aktenzeichen 39 F 182/15) |
Tenor
I. Unter Zurückweisung der Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG Oranienburg vom 11.9.2015 - Az. 39 F 182/15 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Der Beschluss des AG Oranienburg vom 21.5.2015 - Az. 39 F 185/13 - in der Fassung der (Berichtigungs-)Beschlüsse des Senates vom 24.8.2015 und 17.3.2016 - Az. 9 UF 90/15 - wird insgesamt aufgehoben.
2. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die minderjährigen Kinder J. D., geboren am... April 2012, und E. D., geboren am... Dezember 2010, wird im Wege der einstweiligen Anordnung auf den Kindesvater übertragen.
3. Der Antrag der Kindesmutter wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Kindesmutter zu tragen.
III. Der Beschwerdewert wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
IV. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
1. Die Kindeseltern streiten - parallel zu einem seit längerer Zeit anhängigen sorgerechtlichen Hauptsacheverfahren (Az. 39 F 185/13 des AG Oranienburg) - seit September 2015 im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens mit wechselseitigen Anträgen um vorläufige Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für die gemeinsamen Kinder J. und E.
Mit Beschluss vom 11.9.2015 hat das AG nach mündlicher Anhörung der Beteiligten am 10.9.2015 und der betroffenen Kinder am 11.9.2015 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder vorläufig auf den Kindesvater allein übertragen und den gegenläufigen Antrag der Kindesmutter zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die Wahrung der sozial-räumlichen Kontinuität bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens abgestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.
Gegen diese ihr am 14.9.2015 zugestellte Entscheidung wendet sich die Kindesmutter mit ihrer am 28.9.2015 eingegangenen Beschwerde, die sie dahin begründet, dass die den Beschluss entscheidend (mit-)tragenden Erwartungen des Gerichts in das Verhalten des Vaters nicht eingetreten seien. Entgegen seiner Zusagen "scheinen die Kinder (vom Haushalt der Schwester des Vaters) in den Haushalt des Kindesvaters gewechselt zu sein", was den Schluss zulasse, dass der Vater den Kindern die für so wichtig erachtete Stabilität und Kontinuität tatsächlich nicht zu gewährleisten bereit sei. Außerdem beeinflusse der Vater die Kinder (weiter) gegen die Mutter und gewähre nur sehr unzureichend Kontakt zwischen den Söhnen und der Mutter, was sie zur Einleitung eines weiteren Eilverfahrens wegen Umgangs veranlasst habe. Sie hat in der Beschwerdebegründung vom 27.11.2015 "zugesagt, bei einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich die Kinder in ihrer jetzigen Kita zu belassen, um ihnen keinen weiteren Wechsel zuzumuten. Dem Kindesvater würde sie ein großzügiges Umgangsrecht einräumen und den Kindern solle auch dessen Schwester als Bezugsperson erhalten bleiben" (Bl. 158 GA).
Der Kindesvater tritt den Behauptungen der Mutter zu den Entwicklungen seit Erlass der Eilentscheidung dezidiert entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.
Den Antrag der Mutter auf einstweilige Regelung unbegleiteten Umgangs mit den Söhnen hat das AG Oranienburg mit Beschluss vom 23.12.2015 - Az. 39 F 222/15 - zurückgewiesen, weil es trotz ausdrücklicher Erklärungen der Mutter, sie habe keine Auswanderungsabsichten, die Besorgnis bestehe, sie werde Deutschland verlassen und dem Vater die Kinder entziehen.
Die Mutter ist - wohl im Januar 2016, Genaueres ist nicht bekannt - in die Schweiz verzogen, weil ihr Verlobter dort eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe und sie für sich selbst dort auch bessere berufliche Chancen sehe.
2. Die Beschwerde der Kindesmutter ist gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 Abs. 1 FamFG statthaft und form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 2 Nr. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG eingelegt worden, mithin zulässig. In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.
Das AG hat - im Ergebnis zu Recht und unter besonderer Betonung der Wahrung der sozial-räumlichen Kontinuität - dem Vater im Wege einstweiliger Anordnung das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für den heute 5 ¼-jährigen E. und den knapp vier Jahre alten J. D. übertragen.
a) Der Umstand, dass dem Kindesvater (neben der Kindesmutter) mit Beschluss des AG Oranienburg vom 21.5.2015 - Az. 39 F 185/13 - im Wege einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Regelung des Umgangs, die Gesundheitsfürsorge, das Recht zur Regelung von Kitaangelegenheiten und von Angelegenheiten der Entwicklungsverzögerung sowie zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung entzogen worden war und diese Entscheidung für ...