Verfahrensgang

AG Oranienburg (Entscheidung vom 09.02.2021; Aktenzeichen 13 d OWi 3425 Js-OWi 34209/19 (841/19)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 9. Februar 2021 wird gemäß §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe als offensichtlich unbegründet verworfen, dass die Betroffene des vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften (um 56 km/h) schuldig ist.

Die Betroffene trägt die Kosten ihres Rechtsmittels (§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO).

 

Gründe

1. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 27. Mai 2021.

Zur Tenorkorrektur heißt es in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft:

"Der Gesamtschau der Urteilsgründe kann insofern entnommen werden, dass die Betroffene am Tattage nachdem sie beidseitig aufgestellte geschwindigkeitsbegrenzende Verkehrsschilder passiert hatte, in einem Baustellenbereich, in dem [die] Geschwindigkeit auf 60 km/h reduziert war, mit 156 km/h [richtig: 116 km/h] gefahren ist.

Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene die Verkehrsschilder nicht sehen konnte oder nicht gesehen hat, sind nicht ersichtlich.

Nach der Rechtsprechung kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass (ordnungsgemäß aufgestellte) Vorschriftszeichen, auch solche, durch die eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfolgt, in der Regel wahrgenommen werden und ein fahrlässiges Übersehen die Ausnahme darstellt. Daher braucht die Möglichkeit, dass der Betroffene das Vorschriftszeichen übersehen hat, nur in Rechnung gestellt zu werden, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben (vgl. BGH NJW 1997, 3252; OLG Celle, NZV 2014, 232).

Entsprechende Anhaltspunkte hat weder [die] Betroffene vorgetragen noch ergeben sie sich aus den sonstigen in dem angefochtenen Urteil mitgeteilten Umständen. Bei einem beachteten Vorschriftszeichen kann zudem angenommen werden, dass eine Kraftfahrerin ihre gefahrene Geschwindigkeit anhand eines Blicks auf dem Tachometer wiederholt kontrolliert, zumal, wenn sie sich in einer Baustelle befindet. Zudem ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Betroffenen die zulässige Höchstgeschwindigkeit vorliegend um 92% überschritten hat. Bei der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit drängt sich eine vorsätzliche Begehungsweise umso mehr auf, je massiver das Ausmaß der Überschreitung ist. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung nicht auf die absolute, sondern auf die relative Geschwindigkeitsüberschreitung an, das heißt, auf das Verhältnis zwischen der vorgeschriebenen und der gefahrenen Geschwindigkeit. Je höher die prozentuale Überschreitung ausfällt, desto eher wird sie von einem Kraftfahrer, der die zuläs-sige Höchstgeschwindigkeit kennt, aufgrund der stärkeren Fahrgeräusche und der schneller vorbeiziehenden Umgebung bemerkt (schon OLG Karlsruhe NZV 2006, 437; KG NZV 2004, 598).

Zumindest ist bei dieser Sachlage davon auszugehen, dass die Betroffene eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegend bewusst in Kauf genommen hat. Das Bewusstsein des konkreten Umfangs der zulässigen Höchstgeschwindigkeit setzt vorsätzliches Verhalten dabei nicht voraus (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 29. Oktober 2007 - 1 Ss 130/07 - in juris). Jedenfalls ist bei der hier vorliegenden Geschwindigkeitsüberschreitung ist kein Raum mehr für die Annahme lediglich (grob) fahrlässigen Handelns."

Der Senat tritt diesen Ausführungen bei, sie entsprechen der Sach- und Rechtslage (st. Rspr. des Senats, vgl. statt vieler: Beschluss vom 22. Oktober 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 433/20 (264/20); Beschluss vom 22. September 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 374/20 (220/20); Beschluss vom 24. Juli 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 318/20 (193/20); Beschluss vom 6. Juli 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 286/20 (178/20)).

Der Abänderung des Schuldspruches steht das Verschlechterungsverbot nicht entgegen (vgl. Seitz in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 79 Rn. 37).

2. Auf die Ausführungen im Anwaltsschriftsatz vom 29. April 2021 ist ergänzend anzumerken, dass nach mittlerweile gefestigter obergerichtlichen Rechtsprechung der Sinn des Fahrverbots in der Tat in Frage zu stellen ist, wenn die zu ahnende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 24. April 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 174/20 (104/20), zit. n. juris, dort Rn. 30 ff.; OLG Bamberg DAR 2008, 651 jeweils m.w.N.). Hinsichtlich dieser Zweijahresfrist kommt es - entgegen der Ansicht des Betroffenen - auf den Zeitraum zwischen Tatbegehung und der letzten tatrichterlichen Verhandlung an, da der Tatrichter den sich anschließenden Zeitraum zwischen seiner Entscheidung und deren Rechtskraft nicht berücksichtigen kann und das Rechtsbeschwerdegericht lediglich zu prüfen hat, ob das Urteil des Tatrichters, auch was den Rechtsfolgenausspruch, insbesondere die Verhängung und Begründung eines Fahrverbotes betrifft, Rechtsfehler aufweis...

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