Leitsatz (amtlich)
1. Zuständigkeitsstreit bei Ansprüchen aus übergeleitetem Recht (hier: Unterhaltsansprüche) nach § 33 SGB II.
2. Zur Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses.
Verfahrensgang
AG Strausberg (Aktenzeichen 2.2 F 417/16) |
AG Eisenhüttenstadt (Aktenzeichen 3 F 83/16) |
Tenor
Zum zuständigen Gericht wird das Amtsgericht - Familiengericht - Eisenhüttenstadt bestimmt.
Gründe
1. Der Senat ist zur Bestimmung der (örtlichen) Zuständigkeit des Familiengerichts berufen. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts richtet sich nach § 36 ZPO, denn nach § 113 Abs. 1 FamFG tritt bei Familienstreitsachen im Sinne des § 112 FamFG an die Stelle des § 5 FamFG die entsprechende Vorschrift der ZPO. Eine Familienstreitsache liegt hier vor, da es sich um eine Unterhaltssache handelt (§ 112 Nr. 1 in Verbindung mit § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Für die Einordnung als Unterhaltssache kommt es auch nicht darauf an, dass die streitgegenständlichen Unterhaltsansprüche den vormals berechtigten Kindern nicht mehr zustehen, diese vielmehr durch einen Dritten - das Jobcenter des Landkreises Oder-Spree - aus übergeleitetem Recht (d.h. im Wege der Rechtsnachfolge) nach § 33 SGB II unter Berufung auf gezahlte Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht werden. Durch den Anspruchsübergang bleibt der Charakter als Unterhaltsanspruch unverändert erhalten (Schürmann, Sozialrecht für die familienrechtliche Praxis, 2016, Rn. 1304). Dies gilt auch für die maßgeblichen Zuständigkeitsbestimmungen. Der BGH (BGH, FamRZ 1978, 582, 584) hat bereits zu § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO a.F. den Rechtssatz geprägt, dass grundsätzlich alle Ansprüche unter diese Bestimmung fielen, deren Zuweisung in den Zuständigkeitsbereich des Familienrechts nach Sinn und Zweck der genannten Norm geboten erscheine. Das führt dazu, dass nach einhelliger Meinung übergeleitete Unterhaltsansprüche den §§ 112 Nr. 1, § 231 Abs. 1 FamFG unterfallen (vgl. BGH, FamRZ 2014, 1287 bei Rn. 8 - ausdrücklich für Anspruchsübergang nach § 33 SGB II; Brandenburgisches OLG, FamRZ 2014, 1731 für Anspruchsübergang nach § 7 UVG; ferner Götsche in Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, Loseblatt Stand Oktober 2015, Teil I 20 C Rn. 264; Keidel/Weber, FamFG, 18. Aufl. 2014, a.a.O., § 231 Rn. 12; Bömelburg in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 231 FamFG Rn. 9). Gegenteilige Auffassungen finden sich nach Kenntnis des Senats in Rechtsprechung und Literatur nicht. Im Übrigen würden selbst Ansprüche im "Gewand" eines Befreiungs-, Bereicherungs- oder Schadensersatzanspruches von § 231 Abs. 1 FamFG erfasst werden, wenn sie ihre Wurzel im unterhaltsrechtlichen Verhältnis haben (vgl. bereits BGH, FamRZ 1978, 582, 584; OLG Hamm, FamRZ 2013, 67).
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen ebenfalls vor. Mit Beschluss vom 17. Oktober 2016 (Bl. 107) hat sich das Amtsgericht Eisenhüttenstadt (rechtskräftig) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Strausberg verwiesen, welches sich seinerseits mit Beschluss vom 1. November 2016 (rechtskräftig) für örtlich unzuständig erklärt hat (Bl. 111).
2. Ausschließlich zuständiges Gericht ist das Amtsgericht - Familiengericht - Eisenhüttenstadt.
a. Diese ausschließliche Zuständigkeit folgt hier eindeutig aus § 232 Abs. 1 FamFG. Zwar ist die Nr. 1 dieser Norm nicht anzuwenden, da eine Ehesache hier im ersten Rechtszug nicht anhängig ist oder war. Dementsprechend ist in der zwingenden Reihenfolge aber § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG zu prüfen und hier auch einschlägig.
Nach § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ist für Unterhaltssachen, die die Unterhaltspflicht für ein minderjähriges oder ihm gleichgestelltes Kind betreffen, das Gericht, in dessen Bezirk das Kind oder der Elternteil, der auf Seiten des minderjährigen Kindes zu Handeln befugt ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ausschließlich zuständig. Diese ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts des gewöhnlichen Aufenthalts geht (mit Ausnahme des § 232 Abs. 1 Nr. 1 FamFG) sämtlichen anderen Zuständigkeiten vor, selbst anderen ausschließlichen (§ 232 Abs. 2 FamFG). Darin zeigt sich auch die hohe Bedeutung dieser Zuständigkeitsvorschrift, die insbesondere unter Beachtung der Interessen des minderjährigen bzw. privilegiert volljährigen Kindes die Zuständigkeit an dessen Aufenthaltsort knüpft. Bei Einleitung der Verfahren (betreffend den übergegangenen Unterhalt für den Sohn E im April 2016, Bl. 3, für die Tochter C im Juli 2016, Bl. 53) lagen diese Voraussetzungen vor. Die im Jahr 2000 geborene Tochter C ist minderjährig; der am 8. März 1997 geborene Sohn Eric war zwar bei Anhängigkeit bereits volljährig, jedoch ein sogenanntes privilegiert volljähriges Kind im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB. Eine spätere Änderung ist für die ursprüngliche Bestimmung der Zuständigkeit unbeachtlich, die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes bleibt auch bei Veränderung der sie begründenden Umstände erhalten (sogenannter Grundsatz des perpetuatio fori, § 261 ...