Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf optimale Erziehung; Voraussetzungen staatlichen Eingreifens
Leitsatz (redaktionell)
1. Zeigt eine – intelligenzgeminderte – Kindesmutter infolge einer massiven Verhaltensstörung u.a. in Form ungehemmten Kaufverhaltens erhebliche Defizite in ihrer Betreuungs- und Erziehungsfähigkeit, weil sie weder in der Lage ist, ihren Alltag zu strukturieren, noch die Bedürfnisse der Kinder wahrzunehmen, ist die Unterbringung der Kinder in einer Pflegefamilie angezeigt und angemessen. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Verhältnisse der Kindesmutter aufgrund einer engmaschigen Fürsorge durch einen Betreuer und Familienhilfe zwischenzeitlich verbessert haben.
2. Erst die begründete gegenwärtige Besorgnis drohender Schädigungen des Kindes kann zu staatlichen Eingriffen führen, wobei deren Art und Ausmaß unter Abwägung aller Umstände zu bestimmen ist.
Normenkette
BGB § 1666
Verfahrensgang
AG Neuruppin (Beschluss vom 07.05.2007; Aktenzeichen 52 F 13/06) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des AG Neuruppin vom 7.5.2007 - Az.: 52 F 13/06 - wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern der betroffenen, nicht ehelich geborenen Kinder. Zunächst hatte die Kindesmutter das alleinige Sorgerecht.
Im Jahr 1999 zog die Kindesmutter mit V. zum Kindesvater, der im Haus seiner Eltern eine Wohnung innehatte. Die Eltern des Kindesvaters, insbesondere die Großmutter, kümmerten sich jahrelang in großem Umfang um die Kinder. Seit Mai 2003 erhielt die Kindesmutter Hilfe zur Erziehung durch das Jugendamt des Landkreises O.. Es kam zu erheblichen Konflikten nicht nur zwischen den Kindeseltern, sondern auch zwischen der Kindesmutter und den Großeltern. Die Kindesmutter hatte Schwierigkeiten, sich angemessen um ihre Kinder zu kümmern und den Haushalt zu versorgen. Etwa Anfang des Jahre 2006 sah sich die Großmutter nicht mehr in der Lage, im vorherigen Umfang die Betreuung der Kinder wahrzunehmen. V. fiel als sehr dünn, blass und depressiv wirkend auf und wurde nach Vorstellung beim Kinderarzt in die Kinderklinik aufgenommen. Bei einem Hausbesuch des Jugendamts des Landkreises O. am 10.1.2006 wies die Wohnung einen kaum noch nutzbaren Zustand auf, da überall Berge von Spielsachen, Kleidung, Kartons etc. aufgestapelt waren. Auch Medikamente lagen herum und waren für die Kinder frei zugänglich. Selbst die Kinderbetten mussten erst von Sachen frei geräumt werden, ehe sie benutzbar waren. Das Jugendamt hat deshalb die drei Kinder am 12.1.2006 aus dem Haushalt der Mutter herausgenommen und sie anderweitig untergebracht. Mit Schriftsatz vom selben Tag wurde beantragt, das Sorgerecht für die drei Kinder in den Teilen Aufenthaltsbestimmungsrecht, Antragsrecht nach KJHE und Gesundheitsfürsorge der Kindesmutter zu entziehen und auf das Jugendamt zu übertragen.
Das AG Neuruppin hat mit Beschluss vom 12.1.2006 (Bl. 6 GA) der Kindesmutter vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Antragsrecht nach KJHG und die Gesundheitssorge für die drei Kinder entzogen und Pflegschaft durch das Jugendamt angeordnet.
Mit Schriftsatz vom 27.1.2006 hat der Vater beantragt, ihm das Sorgerecht für die drei Kinder zu übertragen. Er hat eingeräumt, sich selbst um die Kinder bislang nicht besonders gekümmert zu haben und hat auf die Betreuung durch seine Mutter verwiesen. Er sei nunmehr aber bereit, sich mehr für die Kinder einzusetzen, nachdem er erkannt habe, dass die Kindesmutter hierzu nicht in der Lage sei.
Das AG hat ein Gutachten der Sachverständigen Dr. C. St. eingeholt, das diese unter dem 26.1.2007 erstattet hat (Beiheft). Diese gelangte zu dem Ergebnis, dass die Kindesmutter eine mangelnde Feinfühligkeit im Umgang mit den Kindern zeigt und die Bedürfnisse der Kinder wenig wahrnimmt. Außerdem seien eine mangelnde Ausdauer und eine Überforderung der Kindesmutter erkennbar geworden. Sie stelle ihre eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund und agiere häufig ichbezogen. Die emotionale Beziehung zu den Kindern sei unterschiedlich ausgeprägt. Zu S. und V. sei die Beziehung positiver als zu O.. Diesem gegenüber verhalte sie sich kühl und distanziert. Auch das Verhältnis zwischen dem Vater und den Kindern sei wenig emotional; der Vater verhalte sich generell distanziert und eher mürrisch und reizbar. Es sei nur ein geringes Interesse des Vaters an seinen Kindern erkennbar. Dieser sei noch am ehesten an O. interessiert. Die Bindungen der Kinder an die Eltern seien infolge jahrelanger Konflikte und Streitigkeiten gestört. Alle drei Kinder seien nur unsicher an ihre Eltern gebunden. Bei V. werde noch eine enge, positiv geprägte emotionale Beziehung zur Mutter deutlich. Die Bindung an den Vater sei dagegen hoch unsicher. V. habe darüber hinaus sehr enge Beziehungen zu ihren Geschwistern, die für sie nahezu ebens...