Leitsatz (amtlich)
Für die Streitwertbemessung von Unterlassungsansprüchen im Urheberrecht ist an den vom Urheber aufgezeigten drohenden Lizenzschaden anzuknüpfen. Dies wird dem wirtschaftlichen Interesse des Urhebers an der wirkungsvollen Abwehr nachhaltiger Verstöße gegen sein geistiges Schutzrecht und der Verteidigung daraus resultierender Vermögenspositionen als dem für die Wertbemessung maßgeblichen Faktor gerecht.
Der Lizenzsatz ist mit dem Faktor 10 zu multiplizieren. Die Verdoppelung des Lizenzsatzes wird dem personenbezogenen Schutz des Urheberrechts nicht gerecht.
Generalpräventive Erwägungen, wonach der Streitwert bei Unterlassungsansprüchen aus Gründen der Abschreckung zu erhöhen sei, können bei der Streitwertfestsetzung nicht berücksichtigt werden.
Normenkette
ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 21.02.2013; Aktenzeichen 2 O 69/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Be- schluss des LG Potsdam vom 21.2.2013 - 2 O 69/13 - wird zurückgewie- sen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner im Verfahren der einstweiligen Verfügung wegen Verletzung von Urheberrechten an zwei Produktfotografien auf Unterlassung in Anspruch. Der Geschäftsführer der Antragstellerin fertigt geschäftsmäßig Produktfotografien für den Internetvertrieb an. Die Antragstellerin vermarktet die Nutzungsrechte an den von ihrem Geschäftsführer gefertigten Fotografien.
Der Antragsgegner hat auf der Internetplattform eBay als Privatverkäufer eine Smartphone-
hülle zum Verkauf (Startpreis: 1 EUR; Preis 4,99 EUR) angeboten und zur Illustration seines Angebots zwei, die Vorder- und Rückseite der Tasche zeigende, vom Geschäftsführer der Antragstellerin gefertigte Lichtbilder ohne deren Zustimmung verwendet.
Die Antragstellerin hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11.2.2013 unter Fristsetzung zunächst erfolglos von dem Antragsgegner die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie Schadensersatz von (45 EUR je Bild zzgl. 100 % fiktive Lizenzgebühr) 180 EUR nebst Nebenkosten von 225 EUR gefordert.
Nach Abgabe der begehrten strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung durch den Antragsgegner hat die Antragstellerin das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Mit Beschluss vom 21.2.2013 hat das LG Potsdam den Verfahrenswert auf 600 EUR (300 EUR je Bild) festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, für die Wertbemessung sei im vorliegenden Falle auf den vom Urheber aufgezeigten drohenden Lizenzschaden abzustellen.
Da die Antragstellerin die Lichtbilder mit dem Ziel der Vermarktung fertige, richte sich ihr wirtschaftliches Interesse maßgeblich auf die Sicherung der Lizenzgebühren und nicht etwa darauf, das Werk unter Ausschluss dritter Personen selbst zu nutzen. Der Verfahrenswert sei im Wege der sog. Lizenzanalogie zu bestimmen, wobei je Bild ein Lizenzsatz von 150 EUR angemessen erscheine und dieser zwecks Verhinderung weiterer gleichgerichteter Verletzungen zu verdoppeln sei.
Hiergegen richtet sich die am 26.2.2013 bei Gericht eingegangene Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, mit welcher dieser aus eigenem Recht die Festsetzung des Verfahrenswertes auf 6.000 EUR begehrt.
Der Beschwerdeführer meint, das wirtschaftliche Interesse sei mit 6.000 EUR zu bewerten. Im Bereich der Produktfotografie komme es nicht wesentlich auf den künstlerischen Anspruch des Werkes an, sondern darauf, dass das abgebildete Produkt möglichst authentisch und vorteilhaft dargestellt werde; dies führe zu Verkaufserfolgen. Der Wert des Nutzungsrechts hänge jedoch nicht nur von der Hochwertigkeit des Lichtbildes ab. Maßgeblich sei auch der Grad der Verbreitung desselben. Der Wert des Nutzungsrechts sinke drastisch mit dessen zunehmender Verbreitung, da der Verletzer sich durch die Verwendung einer bestimmten (hochwertigen) Produktfotografie vom Markt abheben und als eigenständiger Anbieter wahrgenommen werden wolle. Bei der Verwertung von Nutzungsrechten sei daher ein marktgerechter Preis nur erzielbar, wenn die Verbreitung nicht schon weit fortgeschritten sei.
Ferner liege die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen durch spezialisierte Rechtsan-waltskanzleien im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und des Urheberrechts- schutzes. Eine wirtschaftliche Bearbeitung eines Verfahrens auf Unterlassung sei für einen Rechtsanwalt bei unangemessen geringen Streitwerten nicht mehr möglich. Dies führe zum Abschluss von Honorarvereinbarungen, eine Sachlage, bei welcher weniger begüterte Rechteinhaber benachteiligt würden.
Die Rechtsprechung hierzu sei uneinheitlich; in der Regel gingen die Gerichte von Gegen-standswerten im Bereich von 3.000 EUR und mehr aus, teilweise kämen Regelstreitwerte zur Anwendung.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die von dem Rechtsanwalt aus eigenem Recht eingelegte Beschwerde ist zulässi...