Verfahrensgang
LG Neuruppin (Entscheidung vom 23.06.2021; Aktenzeichen 13 KLs 2/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 23. Juni 2021 aufgehoben.
Die weitere Vollstreckung der im Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 9. Mai 2008 (13 KLs 2/06) angeordneten Einziehung von Wertersatz der Verfallsanordnung unterbleibt.
Die Vollstreckung der im Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 9. Mai 2008 (13 KLs 2/06) angeordneten Einziehung von Wertersatz der Verfallsanordnung ist auf gerichtliche Anordnung wieder aufzunehmen, wenn nachträglich Umstände bekannt werden oder eintreten, die der vorgenannten Anordnung entgegenstehen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten darin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse (§ 467 StPO analog).
Gründe
I.
Der Verurteilte und Beschwerdeführer erstrebt die gerichtliche Anordnung des Unterbleibens einer Wertersatzeinziehung gemäß § 459g Abs. 5 StPO, da der Wert des Erlangten nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sei und die weitere Vollstreckung sich als unverhältnismäßig erweisen würde.
Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
1. Die 3. große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin hat am 9. Mai 2008, rechtskräftig seit demselben Tag (13 KLs 2/06), den strafrechtlich nicht vorbelasteten Beschwerdeführer wegen unerlaubten Veranstaltens eines Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 StGB in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit betrug 4 Jahre; Auflagen und Weisungen wurden nicht erteilt. Darüber hinaus wurde er wegen Steuerhinterziehung in 29 Fällen, davon in 12 Fällen wegen versuchter Steuerhinterziehung, zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt. Zudem wurde bei dem Verurteilten sichergestelltes Geld in Höhe von 35.900,00 € gemäß § 73 Abs. 1 StGB a. F. für verfallen erklärt und der Verfall von Wertersatz in Höhe von 829.000,00 € gegen den Verurteilten, gegen die Firma M.... GmbH & Co. KG und gegen die M.... GbR nach §§ 73 Abs. 1, Abs. 3, 73a StGB a. F. als Gesamtschuldner angeordnet. Ausweislich der Urteilsgründe war der Verurteilte Gesellschafter und Kommanditist der M...GmbH & Co. KG sowie Mitgesellschafter der M.... GbR. Die von der Fa. M... GmbH & Co. KG und später von der Fa. M.... GbR betriebenen Spielotheken hatten den Urteilsgründen zufolge in den Aufzeichnungszeiträumen vom 20. Oktober 2003 bis zum 5. Juli 2004 an den Tokenautomaten Bruttoerlöse in Höhe von insgesamt 829.000,00 € erzielt (S. 12 UA).
Zur Person des Beschwerdeführers führen die Urteilsgründe aus, dass er sich seit Mai 2005 mit einer Dienstleistungsfirma (Trockenbau, Hausmeisterdienste, Fahrdienste) selbständig gemacht habe, der Gewinn der Firma habe 2005 insgesamt 6.458,00 €, 2006 insgesamt 9.816,00 € und 2007 insgesamt 8.500,00 € betragen, so dass dem Beschwerdeführer monatlich 400,00 € bis 600,00 € zum Bestreiten seines Lebensunterhalts verblieben seien.
Zur der damals geltenden Härtevorschrift des § 73c StGB a.F. verhalten sich die nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzten Gründe des Urteils vom 9. Mai 2028 nicht.
2. Vor der Verurteilung durch das Landgericht Neuruppin am 9. Mai 2008 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 19. März 2008 (15 IN 637/07) über das Vermögen des Verurteilten und Beschwerdeführers das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2014 erfolgte die Restschuldbefreiung.
Die Bewährungsstrafe wurde dem Verurteilten nach Ablauf der Bewährungsfrist mit Wirkung zum 15. Juni 2012 erlassen.
Die Geldstrafe ist seit dem 04. November 2015 vollständig beglichen.
3. Bereits in der Vergangenheit, mit Anwaltsschriftsatz 18. Juli 2008 und erneut mit Anwaltsschriftsatz vom 29. April 2016, hatte der Verurteilte die Niederschlagung des "Verfallbetrags" und der Kosten wegen Zahlungsunfähigkeit beantragt. Seinerzeit hat der Verurteilte die Auffassung vertreten, dass die Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren auch zum Erlöschen des Verfallbetrages führe. Darüber hinaus sei der "Verfall von Wertersatz" verjährt, auch würde die Durchsetzung der erkannten Verfallsanordnung für ihn wegen seiner Vermögenslosigkeit eine "unbillige Härte" darstellen. Die 3. große Strafkammer hatte mit Beschluss vom 13. April 2017 (13 KLs 2/06) die Einwendungen des Verurteilten gegen die "Vollstreckung des Wertersatzes" zurückgewiesen, die dagegen erhobene sofortige Beschwerde hat der Senat unter dem Datum vom 31. Juli 2017 (Az. 17 Ws 76/17) als unbegründet verworfen. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Entscheidungen verwiesen.
4. Mit Kostenrechnung vom 09. Juni 2008 machte die Staatsanwaltschaft gegenüber dem Beschwerdeführer zunächst einen Betrag in Höhe von insgesamt 258.403,37 EUR geltend. Dieser beinhaltete die Forderung bezüglich der Geldstrafe in Höhe von 5.400,00 EUR (360 Tagessätze zu je 15,00 EUR), den Verfall des Geldbetrages über 35.900,00 ...