Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufenthaltswechsel des Kindes im einstweiligen Anordnungsverfahren. Elterliche Sorge: Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts von der Kindesmutter auf den Kindesvater während eines einstweiligen Anordnungsverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Sind Kindeseltern offensichtlich nicht in der Lage, sich über den Lebensmittelpunkt ihres Kindes zu einigen, und ist angesichts offenbar tiefgreifender Zerwürfnisse zwischen den Kindeseltern und deren Unfähigkeit, miteinander zum Wohl des Kindes zu kommunizieren, nicht absehbar, dass sich das Verhältnis zueinander in Kürze nachhaltig bessern könnte und sie bereit und in der Lage sein werden, alsbald wieder zum Wohle des Kindes zusammenzuwirken, hat zumindest zeitweise die vorläufige Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu erfolgen.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1, 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 12.08.2009; Aktenzeichen 34 F 44/09) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des AG Oranienburg vom 12.8.2009 - Az.: 34 F 44/09 - wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Im Weg der einstweiligen Anordnung wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht betreffend das minderjährige Kind M. D., geboren am ... 3.2003, vorläufig auf den Kindesvater übertragen.
II. Der Beschwerdewert wird auf 500 EUR festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1. und zu 2. sind die Eltern der am ...3.2003 geborenen M. D. Die Kindeseltern sind miteinander verheiratet. Aus der Ehe ist lediglich das Kind M. hervorgegangen. Die Kindeseltern haben sich im Oktober 2007 voneinander getrennt, zunächst räumlich im gemeinsamen Haus. Später ist der Kindesvater ausgezogen. Die Kindeseltern betrachten ihre Ehe als gescheitert.
Beide Kindeseltern sind berufstätig und haben sich während der Dauer ihres Zusammenlebens gemeinsam um ihr Kind M. gekümmert. Die Trennung war von erheblichen Streitigkeiten der Kindeseltern begleitet; diese dauern fort. M. ist im Laufe des Verfahrens im Sommer 2009 eingeschult worden.
Der Kindesvater hat mit Schriftsatz vom 6.3.2009 beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. allein zu übertragen und eine entsprechende einstweilige Anordnung zu erlassen. Die Kindesmutter hat mit Schriftsatz vom 19.3.2009 entsprechende gegenläufige Anträge gestellt. Die Kindeseltern haben unter Vermittlung des Jugendamts am 28.4.2009 eine Vereinbarung über ein "Betreuungsmodell" für M. getroffen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 72 GA).
Das AG hat nach Anhörung des Kindes, der Kindeseltern und des Jugendamts am 16.7.2009 mit Beschluss vom 12.8.2009 durch einstweilige Anordnung vorläufig der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen und sich dabei im Wesentlichen auf den geäußerten Kindeswunsch berufen. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Beschlusses (Bl. 129 ff. GA) verwiesen.
Gegen den ihm am 17.8.2009 zugestellten Beschluss hat der Kindesvater mit am 20.8.2009 eingegangen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Der Kindesvater macht geltend, dass der von M. geäußerte Wunsch, den dauernden Aufenthalt bei der Kindesmutter zu haben, von dieser beeinflusst worden sei. Er rügt, dass ein Verfahrenspfleger nicht eingeschaltet worden ist. Außerdem macht er geltend, die Kindesmutter unterbinde fortlaufend seinen Umgang mit der Tochter und erweise sich als nicht bindungstolerant. Außerdem gehe sie auf die Bedürfnisse des Kindes wenig ein.
Im Beschwerdeverfahren ist für das Kind eine Verfahrenspflegerin bestellt worden, die unter dem 9.10.2009 einen schriftlichen Bericht vorgelegt hat (Bl. 180 ff.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Auch das Jugendamt hat im Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 16.9.2009 (Bl. 168 ff.) ausführlich zur Sache Stellung genommen.
Die Kindesmutter verteidigt die angefochtene Entscheidung als dem Kindeswohl dienlich.
II. Die gem. §§ 620c S. 1; 620d, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Kindesvaters ist begründet. Das Kindeswohl gebietet es, dem Kindesvater das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu übertragen.
Gemäß § 1671 Abs. 1; Abs. 2 Nr. 2 BGB ist bei Eltern, denen das Sorgerecht für ein Kind gemeinsam zusteht und die nicht nur vorübergehend voneinander getrennt leben, die elterliche Sorge einem Elternteil allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei besteht kein gesetzliches Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne, dass eine Priorität für die gemeinsame Sorge bestünde und die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil nur in Ausnahmefällen in Betracht käme (BGH, NJW 2000, 203; FamRZ 2008, 592). Zutreffend - wenn auch ohne ausdrückliche Ausführungen dazu - ist das AG davon ausgegangen, dass eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insg...