Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 08.11.2023; Aktenzeichen 15 O 102/22)

Brandenburgisches OLG (Beschluss vom 09.08.2023; Aktenzeichen 11 U 298/22)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 08.11.2023, Az.: 15 O 102/22, abgeändert.

Die von der Klägerin an die Beklagte nach dem gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27.10.2022 sowie nach dem vollstreckbaren Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 09.08.2023, Az.: 11 U 298/22, zu erstattenden Kosten werden auf 3.744,82 EUR (in Worten: Dreitausendsiebenhundertvierundvierzig 82/100) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 2.486,02 EUR seit dem 10.11.2020 und aus weiteren 1.258,80 EUR seit dem 14.08.2023 festgesetzt.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Nach den im Beschlusstenor genannten Entscheidungen hat die Klägerin die Kosten beider Instanzen des Rechtsstreits zu tragen. Auf dieser Grundlage hat die in Liechtenstein ansässige Beklagte mit Anträgen vom 28.10.2022 (Blatt 317 f. d.A.) und 14.08.2023 (Blatt 324 f. d.A.) die Festsetzung ihrer Anwaltskosten in Höhe von 2.308,28 EUR (netto) und 1.168,80 EUR (netto) jeweils zuzüglich eines Betrages in Höhe von 7,7 % beantragt. Hierzu hat sie vorgetragen, wegen der im hiesigen Rechtsstreit in Anspruch genommenen Dienstleistungen ihrer Prozessbevollmächtigten zwar nicht der deutschen Umsatzsteuer, wohl aber im Fürstentum Liechtenstein der 7,7-prozentigen Bezugsteuer zu unterliegen und insofern auch nicht vorsteuerabzugsberechtigt zu sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 08.11.2023 hat das Landgericht die der Beklagten von der Klägerin zu erstattenden Kosten auf die Summe der Nettobeträge der geltend gemachten Anwaltskosten nebst Zinsen festgesetzt. Die wegen der Bezugsteuer geltend gemachten Beträge hat es nach Nr. 7008 VV RVG für nicht erstattungsfähig gehalten, weil der Leistungsort des Rechtsanwalts nicht im Inland, sondern in Liechtenstein liege.

Gegen den der Beklagten am 09.11.2023 zugestellten Beschluss wendet sich diese mit einer am 17.11.2023 erhobenen sofortigen Beschwerde. Sie rügt, die Erwägungen des Landgerichts änderten nichts daran, dass die wegen der anwaltlichen Vertretung im vorliegenden Rechtsstreit angefallene liechtensteinische Bezugsteuer für sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen sei.

Die Klägerin ist dem Rechtsbehelf entgegengetreten. Sie macht geltend, Umsatzsteuer sei nach Nr. 7008 VV RVG nur erstattungsfähig, wenn sie nach deutschem Recht oder dem Recht eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union erhoben werde.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 30.11.2023 nicht abgeholfen und die Sache dem hiesigen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der hier zuständig gewesene Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom 24.01.2024 gemäß § 568 Satz 2 ZPO dem Senat in der Besetzung nach § 122 Abs. 1 GVG übertragen.

II. Der Rechtsbehelf hat Erfolg.

1. Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt mit 267,74 EUR den Beschwerdewert nach § 567 Abs. 2 ZPO.

2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Beklagte beanstandet zu Recht, dass das Landgericht die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Bezugsteuer verneint hat.

Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Zweckentsprechend in diesem Sinne ist eine Maßnahme, die eine verständige Prozesspartei bei der Führung des Rechtsstreits in dieser Lage als sachdienlich ansehen musste. Notwendig sind dann alle Kosten, ohne die die zweckentsprechende Maßnahme nicht getroffen werden könnte (s. etwa BGH, Beschluss vom 10.07.2012 - VI ZB 7/12, NJW 2012, 2734, Rn. 9 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der von der Beklagten in Ansatz gebrachten Bezugsteuer vor.

Die Beklagte hat vorgetragen, für die Rechtsdienstleistungen, welche ihre Prozessbevollmächtigten in dem dem hiesigen Verfahren zu Grunde liegenden Rechtsstreit erbracht haben, in ihrem Sitzland Liechtenstein nach einem Satz von 7,7 % bezugsteuerpflichtig zu sein und die Bezugsteuer nicht als Vorsteuer abziehen zu können. Dieser Vortrag ist schlüssig.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Gebühren und Auslagen der Beklagtenvertreter gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG keinen in Deutschland steuerbaren Umsatz darstellen und daher nicht umsatzsteuerpflichtig sind, weil die Beklagte ihr Unternehmen von Liechtenstein aus betreibt, sodass die Le...

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