Verfahrensgang
AG Eisenhüttenstadt (Entscheidung vom 16.01.2002; Aktenzeichen 25 OWi 376/01) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 16. Januar 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Eisenhüttenstadt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 69,02 EUR verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt. Er rügt die Verfahrensweise des Amtsgerichts mit der Begründung, das Amtsgericht habe sein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die Verfahrensakte ergibt hierzu folgendes:
Mit Verfügung vom 29. November 2001 wurde vom Amtsgericht Hauptverhandlungstermin auf den 9. Januar 2002 und auf den 16. Januar 2002 anberaumt. Der Betroffene wurde von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht entbunden. Auf Antrag des Verteidigers wurde dieser Termin auf den 16. Januar 2002 verlegt. Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2002 beantragte der Verteidiger den Hauptverhandlungstermin vom 16. Januar 2002 aufzuheben, da sich der Betroffene in der Zeit vom 15. Januar 2002 bis zum 17. Januar 2002 berufsbedingt in Kroatien aufhielt. Daraufhin entband der Amtsrichter am 10. Januar 2002 - ohne dass ein entsprechender Antrag des Betroffenen vorlag - den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung gemäß § 73 Abs. 2 OWiG und fragte zugleich beim Verteidiger an, ob der Betroffene mit einer Entscheidung im Beschlusswege einverstanden sei. Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2002 widersprach der Verteidiger einer Entscheidung im Beschlusswege. Am 16. Januar 2002 wurde über den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt, der wegen vorsätzlicher Begehungsweise zu einer Geldbuße von 69,02 EUR verurteilt wurde.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,
die Rechtsbeschwerde zuzulassen und das Urteil aufzuheben.
II.
1.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
2.
Die Verfahrensrüge, das rechtliche Gehör sei versagt worden, ist zulässig und hat in der Sache auch - vorläufigen - Erfolg. Das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör ist verletzt, weil die Hauptverhandlung entgegen § 230 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG ohne ihn durchgeführt wurde, und eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Haupt Verhandlung nur in Anwesenheit des Betroffenen durchgeführt werden darf, nicht vorliegt.
a.
Grundsätzlich ist der Betroffene in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet (§ 73 Abs. 1 OWiG), womit sein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung als Ausprägung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör korrespondiert (§§ 230 StPO, 46 Abs. 1 OWiG). Die Hauptverhandlung im Ordnungswidrigkeitenverfahren darf - insoweit enthält das OWiG eine von den Bestimmungen der StPO abweichende Regelung - in Abwesenheit des Betroffenen nur dann durchgeführt werden, wenn er nicht erschienen ist und darüber hinaus von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war (§ 74 Abs. 1 S. 1 OWiG). Die Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen wiederum ist in § 73 Abs. 2 OWiG geregelt und setzt voraus, dass der Betroffene sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich nicht äußern werde, weiterhin seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte nicht erforderlich ist und er einen Antrag, ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu befreien, gestellt hat. Der Antrag kann nur vom Betroffenen selbst gestellt werden, weil das Anwesenheitsrecht eines Betroffenen nicht der Disposition des Richters im Interesse einer raschen Verfahrenserledigung unterliegt, sondern über ihn als Ausdruck des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vom Betroffenen als Inhaber dieses subjektiven Rechtes selbst verfugt werden kann. Eine abweichende Regelung ist nur für den Fall des unentschuldigten Ausbleibens eines Betroffenen in § 74 Abs. 2 OWiG vorgesehen, wonach der Einspruch ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen ist.
b.
Diesen Anforderungen genügt die Verfahrensweise des Amtsgerichts nicht.
aa.
Ein Fall des § 74 Abs. 2 OWiG liegt erkennbar nicht vor. Ersichtlich ist auch das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Betroffene hinreichend entschuldigt war, da es das Verfahren gemäß § 74 Abs. 1 OWiG gewählt und zur Sache verhandelt hat.
bb.
Die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 S. 1 OWiG liegen nicht vor, weil die am 10. Januar 2002 vom Amtsrichter angeordnete Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen unzulässig war. Eine derartige Entpflichtung setzt gem. § 73 Abs. 2 OWiG i...