Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von PKH bei Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Verkehrsunfall. Haftungsverteilung bei beiderseitiger Vermeidbarkeit eines Verkehrsunfalls. Schmerzensgeld für die Verursachung eines Verkehrsunfalls bei einem Mitverschulden des Geschädigten in Höhe von 50 %

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage ist nicht nur auf die Schlüssigkeit, sondern auch auf die Beweisbarkeit des Vorbringens abzustellen, weshalb ein in einem Strafverfahren eingeholtes Gutachten und die Aussagen der dort vernommenen Zeugen zu würdigen sind.

2. War ein Verkehrsunfall für beide Parteien vermeidbar, sind die jeweiligen Verursachungsbeiträge der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Hat danach ein Unfallbeteiligter einen Überholvorgang trotz Vorliegens einer unklaren Verkehrssituation ausgeführt und hat der andere Beteiligte beim Abbiegen gegen die ihm nach § 9 StVO obliegenden Pflichten verstoßen, indem er seiner Rückschaupflicht nicht nachgekommen ist, haften beide für die Unfallfolgen je zur Hälfte.

3. 9437,21 EUR - mittelbar im Wege der Gewährung von Prozesskostenhilfe - unter Berücksichtigung eines Haftungsanteils von 50 % für einen Mann, der bei einem Verkehrsunfall eine offene Unterschenkelfraktur dritten Grades mit drittgradigem Weichteilschaden und Kompartmentsyndrom, eine Verletzung der Arteria tibialis anterior sowie ein ausgeprägtes Decollement (Abscherung der Haut von ihrer Unterlage) mit einer MdE von 100 % für 97 Tage, von 50 % für 122 Tage und seither 10 % erlitt.

50 Tage stationäre Behandlung mit operativer Versorgung; danach nahezu 200 physiotherapeutische Heilbehandlungen.

Er musste wegen unfallbedingter Ausfallzeiten in der Schule die 12. Jahrgangsstufe wiederholen.

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Entscheidung vom 14.05.2009; Aktenzeichen 8 O 102/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 14. Mai 2009, Az.: 8 O 102/09, teilweise abgeändert.

Dem Antragsteller wird zur Wahrung seiner Rechte in erster Instanz mit Wirkung ab dem 02.03.2009 unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. B### T### Prozesskostenhilfe gewährt, soweit er mit seiner Klage die Verurteilung der Antragsgegner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 9.437,21 EUR sowie die Feststellung, dass die Antragsgegner als Gesamtschuldner zum Ersatz zukünftiger immaterieller Schäden unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 50 % verpflichtet sind, begehrt.

Der weitergehende Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und die weitergehende sofortige Beschwerde werden zurückgewiesen.

Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf 3/4 ermäßigt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der am 11.09.1988 geborene Antragsteller begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für Ansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis vom 22.11.2006. Der Antragsteller befuhr mit dem im Eigentum seines Vaters stehenden Krad MBK, amtliches Kennzeichen ###, am 22.11.2006 gegen 15.30 Uhr die Bundesstraße 2 Abschnitt 110 aus B### kommend in Richtung T###. Hinter ihm führte der Antragsgegner zu 1.) den bei der Antragsgegnerin zu 2.) haftpflichtversicherten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ###. Der Antragsteller beabsichtigte, in einen von der Bundesstraße abgehenden Feldweg nach links abzubiegen und setzte den linken Blinker, der jedenfalls ein bis zweimal ein Blinkzeichen abgab; zudem verringerte er seine Geschwindigkeit. Der Antragsgegner zu 1. überholte den Antragsteller, wobei die Fahrzeuge zusammenstießen und der Antragsteller stürzte und schwerwiegende Verletzungen erlitt. Er befand sich unfallbedingt in der Zeit vom 22.11.2006 bis 11.01.2007 in stationärer Behandlung im ###-Klinikum und war bis 28.02.2007 arbeitsunfähig erkrankt, der Grad der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit betrug danach zunächst 50 %, ab dem 30.06.2007 20 % und seit dem 30.06.2007 10 %. Der Antragsteller ist seither vom Schulsport befreit. Er erlitt in Folge des Unfalls eine offene Unterschenkelfraktur dritten Grades mit drittgradigem Weichteilschaden und Kompartmentsyndrom, eine Verletzung der Arteria tibialis anterior sowie ein ausgeprägtes Decollement (Abscherung der Haut von ihrer Unterlage). Er erhielt in der Folgezeit des Unfalls nahezu 200 physiotherapeutische Heilbehandlungen. Er musste wegen unfallbedingter Ausfallzeiten in der Schule die 12. Jahrgangsstufe wiederholen.

Mit Urteil des Amtsgerichts Potsdam (Az. 87 Cs 470 Js 7991/07 (102/07)) vom 16.04.2008 wurde der Antragsgegner zu 1.) nach Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. L### und Vernehmung des hinter dem Fahrzeug des Antragsgegners zu 1.) befindlichen Zeugen B### sowie des Antragstellers als Zeugen wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,- EUR verurteilt. Im Juni 2008 zahlte die Antragsgegnerin zu 2.) einen frei verrechenbaren Betrag von 4.000,- EUR, den der Antragsteller zunächst a...

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