Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 23.06.2023; Aktenzeichen 11 O 385/20) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam - Rechtspfleger - vom 23.06.2023, Az. 11 O 385/20, aufgehoben. Der Antrag des Klägers auf Kostenfestsetzung vom 21.03.2023 zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte auch Anwaltskosten für eine sonstige Einzeltätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren ohne Verfahrensauftrag nach den Gebührentatbeständen Nr. 3403, 3405 VV RVG zu erstatten hat, die dem Kläger für die Tätigkeit seines Rechtsanwalts aus dem Berufungsrechtszug in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof in Rechnung gestellt worden sind.
Der Rechtsanwalt des Klägers ist beim Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist er von dem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt der Beklagten gebeten worden, selbst vorläufig noch keinen am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen. Dem ist der Kläger nachgekommen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist von der Beklagten vor ihrer Begründung zurückgenommen worden.
II. Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
1. Zu Unrecht hat das Landgericht die Beklagte nach §§ 565, 516 Abs. 3 i.V.m. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO für verpflichtet gehalten, dem Kläger die mit Kostenfestsetzungsantrag vom 21.03.2023 nach den Gebührentatbeständen Nr. 3403, 3405 VV RVG in Höhe einer 0,5-fachen Gebühr zur Feststellung beantragten Kosten (255,85 EUR) seines Rechtsanwalts zu erstatten.
a) Im Streitfall bestand im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zwischen den Parteien allerdings bereits ein Prozessrechtsverhältnis und war der Kläger daher befugt, einen Anwalt zu beauftragen und sich von ihm über das weitere Vorgehen beraten zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2002 - X ZB 9/02, NJW 2003, 756, 757). Die für eine Einzeltätigkeit in Rede stehende Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV entsteht gerade auch für sonstige Tätigkeiten in einem gerichtlichen Verfahren, wenn der Rechtsanwalt nicht zum Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten bestellt ist. Ist der erst- und zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wie im Streitfall nicht als Verfahrensbevollmächtigter beauftragt worden, kann er daher, sofern ihm ein Auftrag für eine Einzeltätigkeit in diesem Verfahren erteilt worden ist, grundsätzlich die Vergütung gemäß Nr. 3403 VV RVG beanspruchen (vgl. BGH, Beschluss vom 10.07.2012 - VI ZB 7/12, juris Rn. 5; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22.05.2014 - 9 W 11/14, juris Rn. 3). Demgegenüber betrifft die Nr. 3506 VV RVG die Verfahrensgebühr für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die der Kläger ausdrücklich nicht geltend macht, so dass es hier auch nicht darauf ankommt, ob ein nicht beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt eine Partei, anders als im Revisionsverfahren selbst, im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren überhaupt vertreten kann.
b) Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die gebotene Prüfung der Notwendigkeit der Kosten am Maßstab einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung auszurichten. Es ist stets zu prüfen, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Diese Frage hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte tun. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen. Die aus der Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei nicht als erforderlich erscheinenden Aufwendungen sind dagegen nicht zu erstatten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17.12.2002 - X ZB 27/02, NJW 2003, 1324, 1325; vom 03.06.2003 - VIII ZB 19/03, NJW 2003, 2992, 2993 und vom 09.10.2003 - VII ZB 17/03, NJW 2004, 73).
aa) Es bestehen insoweit allerdings keine Bedenken, die Bestimmung des § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO auch in Fällen wie den vorliegenden anzuwenden, in denen die Partei in einem Rechtsmittelverfahren nur einen Rechtsanwalt ohne umfassenden Verfahrensauftrag beauftragt hat, denn dass eine Partei, gegen die ein Rechtsmittel geführt wird, generell anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen darf, folgt gerade aus § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17.12.2002 - X ZB 9/02 - NJW 2003, 756 f. und vom 04.05.2006 - III ZB 120/05, juris Rn. 13). Die weitere und im Ergebnis zu verneinende Frage (vgl. BGH, Beschluss vom 10.07.2012 - VI ZB 7/12, juris Rn. 11 ff.), ob eine Kostenerstattung für die Tätigkeit eines n...