Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuweisung der Ehewohnung durch einstweilige Anordnung unter Berücksichtigung der Kindesbelange

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist im einstweiligen Anordnungsverfahren davon auszugehen, dass ein Kind unter der Trennung seiner Eltern und den erheblichen Auseinandersetzungen der beiden über das normale Maß hinaus leidet und ein Zusammenleben der Eltern mit dem Kind auf demselben Grundstück dem Kindeswohl abträglich ist, kann die Zuweisungsentscheidung zugunsten der Kindesmutter, bei der das Kind weiterhin leben will, zu treffen sein.

2. Ungleichen wirtschaftlichen Verhältnissen kommt unter Berücksichtigung der Kindesbelange keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

 

Normenkette

BGB § 1361b; FamFG § 49 Abs. 1, § 209 Abs. 1; GewSchG § 2

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise berichtigt, teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.

Die Wohnung ... weg 23 in E. wird der Antragstellerin vorläufig zur alleinigen Benutzung überlassen.

Der Antragsgegner hat die Wohnung bis zum 15.8.2010 zu räumen.

Dem Antragsgegner wird das Betreten der Wohnung und des dazugehörigen Hausgrundstücks gegen den Willen der Antragstellerin untersagt.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Zuweisung der Ehewohnung während des Getrenntlebens im Verfahren der einstweiligen Anordnung.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 5.7.1980 geheiratet. Aus der Ehe sind die inzwischen volljährigen Kinder J., geboren am ...4.80, und Je., geboren am ...11.1984, sowie das noch minderjährige Kind Jo ..., geboren am ...9.2000, hervorgegangen.

Die Antragstellerin ist als Lehrerin im Oberstufenzentrum tätig. Sie musste sich in den Jahren 2004 und 2005 jeweils einer Darmoperation unterziehen.

Der Antragsgegner ist von Beruf Maurer. Er ist hörgeschädigt und hat einen Grad der Behinderung von 50. Wegen einer Hauterkrankung (Schuppenflechte) spritzt er sich selbst regelmäßig ein Medikament.

Die beteiligten Ehegatten lebten gemeinsam in einem Einfamilienhaus nebst Hausgrundstück im ... weg 23 in E. Sie sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks.

Die Antragstellerin ist ferner Eigentümerin des Grundstücks ... weg 15c in E. Dieses wurde ihr im Jahr 1995 von ihren Eltern übertragen, wobei als Gegenleistung ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht der Eltern im gesamten Haus sowie die Nutzung aller Einrichtungen des Hauses und des Grundstücks vereinbart wurde. Der Vater der Antragstellerin ist inzwischen verstorben. Die Mutter der Antragstellerin lebt auf dem Grundstück ... weg 15c.

Die Antragstellerin hat unter dem 6.1.2010 beantragt, ihr nach § 2 GewSchG die Ehewohnung im Wege der einstweiligen Anordnung allein zuzuweisen (Verfahren 7 F 2/10). Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, der Antragsgegner betreibe Psychoterror und beschimpfe sie. Auch habe er das Fernsehkabel im Keller durchtrennt, um sie an der Benutzung des Fernsehgerätes zu hindern. Zudem habe er am 31.12.2009 die Tür eingetreten und mit Teilen der Türfassung, mit einem Bügeleisen und anderen Gegenständen nach ihr geworfen. Sie habe Verletzungen unter dem linken Auge erlitten, geblutet und Prellungen davon getragen. Sie halte sich mit der Tochter Jo ... seit dem 1.1.2010 vorübergehend in einem möblierten Zimmer der Wohnung ihrer Mutter im ... weg 15c auf. Dies sei nur ein provisorischer Zustand, da sie sich nicht ausreichend auf ihre Berufstätigkeit vorbereiten könne.

Der Antragsgegner ist dem Begehren entgegen getreten. Er hat geltend gemacht, er habe das gemeinsame Haus 1990 bis auf solche Gewerke, die er nicht fachkundig beherrsche, selbst errichtet. Er könne sich daher gar nicht vorstellen, das Haus jemals zu verlassen. Er selbst wolle die Trennung von der Antragstellerin nicht. Der bestehende Partnerschaftskonflikt könne durch Eheberatung und Eigenbemühungen bewältigt werden.

Die von der Antragstellerin behaupteten Vorkommnisse hat der Antragsgegner im Wesentlichen bestritten, allerdings eingeräumt, mit irgendwelchen Gegenständen, nach denen er gegriffen habe, als es dunkel gewesen sei, nach der Antragstellerin geworfen zu haben, aber nicht gezielt.

Das Verfahren 7 F 2/10 hat seinen Abschluss zunächst gefunden durch Beschluss des AG vom 15.3.2010, durch den dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt worden ist, die Antragstellerin zu beleidigen, zu bedrohen und tätlich anzugreifen, wobei diese Unterlassungsanordnung bis zum 11.6.2010 gelten sollte. Der weitergehende Antrag der Antragstellerin ist abgewiesen worden. Zur Begründung der Abweisung hat das AG ausgeführt, dass keine weiteren Verletzungen, Drohungen, Beleidigungen durch den Antragsgegner zu besorgen seien und die lange Ehezeit, das hälftige Miteigentum am Grundstück sowie das noch im Haushalt lebende minderjährige Kind bei der Entscheidung zu berücksichtigen seien.

Gegen den Besc...

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