Verfahrensgang

LG Potsdam (Aktenzeichen 22 KLs 10/19)

AG Cottbus (Aktenzeichen 84 Gs 93/18)

 

Tenor

Eine Entscheidung des Senats über die Fortdauer der Untersuchungshaft ist derzeit nicht veranlasst.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte befindet sich seit dem 15. Oktober 2018 in Untersuchungshaft. Der Senat hat am 4. November 2019 gemäß den §§ 121 Abs. 1, 122 Abs. 4 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Am 6. Januar 2020 hat die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Potsdam begonnen und dauert derzeit an. Auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 18. Februar 2020, der dem Senat am 20. Februar 2020 bekannt gemacht worden ist, festgestellt, dass der Beschluss des Senats den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 des Grundgesetzes verletzt, die Entscheidung aufgehoben und die Sache an den Senat zurückverwiesen.

II.

Eine Entscheidung des Senats über die Fortdauer der Untersuchungshaft ist derzeit nicht veranlasst, weil entsprechend der einfachgesetzlichen Regelung in § 121 Abs. 3 Satz 2 StPO der Fristenlauf zurzeit ruht. Denn das Landgericht führt die Hauptverhandlung seit dem 6. Januar 2020 gegen den Angeklagten durch. Für die Durchführung der erneuten besonderen Haftprüfung ist nicht der Stand des Strafverfahrens, in dem sich dieses vor der aufgehobenen Entscheidung des Senats befunden hat, maßgeblich. Es sind vielmehr die aktuellen Haftverhältnisse und der Fortgang des Strafverfahrens zu berücksichtigen. Das ergibt sich bereits daraus, dass § 121 Abs. 1 StPO den tatsächlichen Vollzug der Untersuchungshaft zum Zeitpunkt der Entscheidung voraussetzt, die besondere Haftprüfung mithin nicht stattfindet, wenn der Haftbefehl vor der Entscheidung aufgehoben oder der Angeklagte von dessen weiterem Vollzug verschont worden ist. Die Prüfung des Oberlandesgerichts kann sich daher nur auf die Frage erstrecken, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft im Zeitpunkt seiner aktuellen Befassung gerechtfertigt ist, nicht aber darauf, ob in der Vergangenheit erlittene Untersuchungshaft gerechtfertigt war (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1992, 795-796; OLG Dresden NStZ 2004, 644; KG, Beschluss vom 8. November 2006 - (4) 1 HEs 59/05 (43-47, 49/06) -, juris).

Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Verfahren von der gesetzlichen Regelung in § 121 Abs. 3 Satz 2 StPO abzuweichen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Bundesverfassungsgericht der Beginn der Hauptverhandlung am 6. Januar 2020 zwar bekannt war, es auf diese neue prozessuale Lage in seiner Entscheidung aber nicht eingegangen ist. Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesverfassungsgericht seine in den Beschlüssen vom 26. Februar 1997 (StV 1997, 535-536), vom 11. März 1999 (StV 1999, 328-329) und vom 15. Februar 2007 (StV 2007, 366-369) vertretene Auffassung, dass während der laufenden Hauptverhandlung eine besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht nicht erfolgen soll, aufgegeben hat, lassen sich weder der Entscheidungsformel noch den Entscheidungsgründen des Beschlusses vom 18. Februar 2020 entnehmen.

Nach alledem obliegt es gegenwärtig dem Landgericht als dem nach § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO zuständigen Gericht, unter besonderer Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 120 Abs. 1 StPO) die weiteren richterlichen Entscheidungen und Maßnahmen zu treffen, die sich auf die Untersuchungshaft des Angeklagten beziehen. Dabei wird es den Antrag des Angeklagten vom 21. Februar 2020 auf Aufhebung des Haftbefehls als Haftprüfungsantrag zu behandeln haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13763582

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