Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld wegen Zuwiderhandlung gegen eine Umgangsregelung: Entschließungsermessen, Auswahlermessen und Ermessensgesichtspunkte
Leitsatz (amtlich)
1. Das bei Zuwiderhandlung gegen einen Umgangstitel eröffnete Anordnungsermessen ist in Ansehung des Entschließungsermessens, also in Beantwortung der Frage, ob ein Ordnungsmittel anzuordnen ist, regelmäßig zu einer Anordnungspflicht verdichtet (vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 89 FamFG, Rn. 17 m.w.N.), weil andernfalls der gesetzgeberisch mitverfolgte Sanktionszweck eines Ordnungsmittels verfehlt würde (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 9 WF 118/17 -, Rn. 2 m.w.N., juris).
2. Das sich anschließende Auswahlermessen zur Art und Höhe des Ordnungsmittels ist weit und hat neben dessen Sanktionscharakter auch und maßgeblich seine Beugefunktion zu berücksichtigen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 05. Juni 2020 - 13 WF 100/20 -, Rn. 10, juris = MDR 2020, 864).
3. Zur Ausübung des Auswahlermessens.
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 23 F 117/16) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsgläubiger wird in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Nauen vom 12.05.2020 dem Vollstreckungsschuldner ein Ordnungsgeld in Höhe von 50 EUR auferlegt, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ein Tag Ordnungshaft festgesetzt.
2. Der Vollstreckungsschuldner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
1. Die Vollstreckungsgläubiger wenden sich gegen die Zurückweisung eines Ordnungsgeldantrages wegen Zuwiderhandlung gegen eine Umgangsregelung.
Nachdem ein für den 10.08.2019 angeordneter Umgang unterblieben ist, betreiben sie die Vollstreckung auf Grund eines Umgangstitels vom 30.12.2016, (124 ff), der auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen ihn hinweist (128), und dem Schuldner am 04.01.2017 zugestellt worden ist (136).
Den Antrag der Vollstreckungsgläubiger (148) gegen den Vollstreckungsschuldner hat das Amtsgericht nach dessen Anhörung (214 ff) mit dem angefochtenen Beschluss ohne Begründung zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger hat es im Nichtabhilfebeschluss ausgeführt, es handele sich um einen einmaligen Verstoß des Schuldners, der in der Folgezeit Umgang pflichtgemäß gewährt habe.
2. Die nach §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.
Die von § 89 Abs. 1 FamFG vorausgesetzte Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs liegt vor, nachdem der Schuldner entgegen dem Umgangsbeschluss seine Tochter zum festgesetzten Zeitpunkt nicht zur Übergabe an die Gläubiger bereit gehalten hat.
Die nachträgliche Aufhebung des Ordnungsmittels kommt nur in Betracht, wenn der Verpflichtete detailliert erläutern kann, warum er an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war (vgl. Keidel, FamFG, FamFG § 89 Rn. 9 m.w.N.). Dahingehende Ausführungen hat der Schuldner nicht gemacht.
Das damit eröffnete Anordnungsermessen ist in Ansehung des Entschließungsermessens, also in Beantwortung der Frage, ob ein Ordnungsmittel anzuordnen ist, regelmäßig zu einer Anordnungspflicht verdichtet (vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 89 FamFG, Rn. 17 m.w.N.), weil andernfalls der gesetzgeberisch mitverfolgte Sanktionszweck eines Ordnungsmittels verfehlt würde (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 9 WF 118/17 -, Rn. 2 m.w.N., juris). Das sich anschließende Auswahlermessen zur Art und Höhe des Ordnungsmittels ist weit und hat neben dessen Sanktionscharakter auch und maßgeblich seine Beugefunktion zu berücksichtigen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 05. Juni 2020 - 13 WF 100/20 -, Rn. 10, juris = MDR 2020, 864).
In Anwendung dieser Maßstäbe ist das Ordnungsgeld auch in Ansehung der Einkommensverhältnisse des Schuldners bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ganz deutlich im unteren Bereich zu verorten. Namentlich ging der Verstoß des Schuldners einher mit dem zeitgleichen Angebot an die Gläubiger, den nicht stattfindenden Umgang um eine Woche zu verschieben, basierte auf einer gemeinsamen Entscheidung mit seiner mitverpflichteten Ehefrau, deren Beitrag die Gläubiger nicht mehr geahndet wissen wollen, und blieb einmalig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 FamFG.
Eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst, § 55 Abs. 1 S 1 FamGKG, Nr. 1602, 1912 KV FamGKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 87 Abs. 4 FamFG, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO), besteht nicht.
Fundstellen
FuR 2021, 324 |
NZFam 2020, 977 |