Verfahrensgang
AG Brandenburg (Aktenzeichen 45 F 120/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 07.04.2021 wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1.1. Der Beschwerdewert wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Mutter ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht ihren Antrag abgewiesen. Denn die Voraussetzungen für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge liegen nicht vor.
I. Gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teil der elterlichen Sorge stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf den antragenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht. Mit der Neuregelung der Übertragung der elterlichen Sorge durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16.12.1997 (BGBl. 1997, Teil I, Seite 2942 ff.) hat der Gesetzgeber kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn geschaffen, dass ein Vorrang zu Gunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio, als letzte Möglichkeit, in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 12. 12. 2007 - XII ZB 158/05, FamRZ 2008, 592; Beschluss vom 11.05.2005 - XII ZB 33/04, FamRZ 2005, 1167; Beschluss vom 29.09.1999 - XII ZB 3/99, FamRZ 1999, 1646, 1647; KG, Beschluss vom 21.09.1999 - 17 UF 4806/99, FamRZ 2000, 502 f.; KG, Beschluss vom 08.11.1999 - 16 UF 4579/99, FamRZ 2000, 504; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 18.12.2003 - 1 BvR 1140/03, FamRZ 2004, 354). Es besteht auch keine gesetzliche Vermutung dahin, dass die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern weiterhin die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist (BGH, Beschluss vom 12. 12. 2007, a.a.O.).
Bei der Entscheidung über die Anordnung oder Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist insbesondere zu berücksichtigen, wenn es im Verhältnis der Eltern an einer Grundlage für ein Zusammenwirken im Sinne des Kindeswohls fehlt. Ein nachhaltiger und tiefgreifender Elternkonflikt kann zur Folge haben, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht (BGH, Beschluss vom 15.6.2016 - XII ZB 419/15, FamRZ 2016, 1439 Rn. 21). Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BGH, Beschluss vom 15.6.2016, a.a.O., Rn. 23). Die gemeinsame elterliche Sorge ist daher nicht anzuordnen, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen. Maßgeblich ist, welche Auswirkungen die mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird (BGH, Beschluss vom 15.6.2016, a.a.O., Rn. 24). Die Kommunikation der Eltern kann bereits dann schwer und nachhaltig gestört sein, wenn die Eltern zwar miteinander in Kontakt treten, hierbei aber regelmäßig nicht in der Lage sind, sich in der gebotenen Weise sachlich über die Belange des Kindes auszutauschen und auf diesem Wege zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Dann ist zu prüfen, ob hierdurch eine erhebliche Belastung des Kindes zu befürchten ist (BGH, Beschluss vom 15.6.2016, a.a.O., Rn. 25). Zur Begründung der Alleinsorge in einem solchen Fall ist nicht zusätzlich die Feststellung einer günstigen Prognose dahingehend erforderlich, dass die Eltern aufgrund der gerichtlichen Entscheidung für die Alleinsorge ihren Streit nicht fortsetzen werden. In die Abwägung ist vielmehr einzubeziehen, ob durch die Alleinsorge die Konfliktfelder zwischen den Eltern eingegrenzt werden, was für sich genommen bereits dem Kindeswohl dienlich sein kann, während bereits das Risiko, dass das Kind durch die Begründung der gemeinsamen Sorge verstärkt dem fortdauernden Konflikt der Eltern ausgesetzt wird, dem Kindeswohl entgegenstehen kann (BGH, Beschluss vom 15.6.2016, a.a.O., Rn. 28).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist schon zweifelhaft, ob - wie von der Mutter geltend gemacht - tatsächlich keine Grundlage mehr für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht. Dies kann aber auf sich beruhen. Denn jedenfalls mit Rücksicht auf die vom Vater inzwischen erteilte Sorgerechtsvollmacht liegen die Voraussetzungen dafür, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und sie einem Elternteil allein - hier der den Antrag stellenden Mutter - zu übertragen, nicht vor.
1. Die Frage, ob im Hinblick auf eine eingeschränkte Kommunikation zwischen den Eltern die Voraussetzungen für eine Aufhebung der gemeinsamen elte...