Verfahrensgang
AG Strausberg (Beschluss vom 27.03.2024; Aktenzeichen 29 F 277/23) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 27.3.2024 abgeändert:
Der Antrag der Gläubigerin, gegen den Schuldner wegen der am 11.3.2024 erfolgten Zuwiderhandlungen gegen die im Vergleich vom 29.2.2024 vereinbarten Unterlassungsverpflichtungen ein Ordnungsgeld festzusetzen, wird abgewiesen.
Gerichtliche Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Kosten des erst- und des zweitinstanzlichen Verfahrens zu tragen.
2. Dem Schuldner wird Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung für sein Rechtsmittel im Ordnungsmittelverfahren bewilligt und Rechtsanwalt ("Name 01"), ("Stadt 01"), beigeordnet.
Gründe
I. Die Gläubigerin betreibt die Vollstreckung aus einem mit dem Schuldner geschlossenen, gerichtlich bestätigten Vergleich, mit dem die Beteiligten sich wechselseitig unter anderem verpflichtet haben, keinerlei Kontakt zueinander aufzunehmen, auch nicht unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, wie z. B. Postkarten. Das Amtsgericht hat den Vergleich im Termin vom 29.2.2024 (Bl. 60 des Aktenimports, im Folgenden: AI) durch verkündeten Beschluss gerichtlich bestätigt und zugleich für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung die Verhängung von Ordnungsgeld bis zu 25.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht (Bl. 61 AI). Es hat dem Bevollmächtigten des Schuldners den Vermerk über den Termin am 15.3.2024 zugestellt (Bl. zu 62 AI).
Mit Schreiben vom 14.3.2024 und 15.3.2024 (Bl. 1 und 4 AI - Ordnungsgeld) hat die Gläubigerin mitgeteilt, der Schuldner habe gegen den Vergleich verstoßen. Sie habe am 8.3.2024 eine Postkarte von einem Bekannten des Schuldners mit bedrohendem und beleidigendem Text erhalten. Am 12.3.2024 und 15.3.2024 habe sie vom Schuldner selbst Postkarten erhalten. Sie bitte um Information, welche Konsequenzen sich hieraus für den Schuldner ergäben. Mit weiterem Schreiben vom 19.3.2024 (Bl. 9 AI-Ordnungsgeld) hat sie wegen der zuvor angezeigten Kontaktaufnahme die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner beantragt.
Das Amtsgericht hat dem Schuldner die Schreiben zugestellt (Bl. 8 AI-Ordnungsgeld). Mit Schriftsatz vom 25.3.2024 hat dieser erwidert, seinen Bruder, den Urheber der ersten Postkarte, nicht mit dem Versand eines solchen Schreibens beauftragt zu haben. Die weiteren Postkarten habe er am 11. und vermutlich am 12.3.2024 auf den Postweg gebracht. Jedenfalls seien sie damit vor der erst am 15.3.2024 bewirkten Zustellung des Vermerks vom 29.2.2024 und des bestätigenden Beschlusses und der Ordnungsgeldandrohung versendet worden. Der Schuldner habe seinem Anwalt nach nochmaligem ausdrücklichen Hinweis zugesichert, sich an den Vergleich zu halten.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht gegen den Schuldner wegen der Zuwiderhandlung gegen die vereinbarte Unterlassungspflicht durch das Übersenden der beiden Postkarten am 11.3.2024 ein Ordnungsgeld von 100 Euro festgesetzt (Bl. 12 AI-Ordnungsgeld).
Der hiergegen gerichteten Beschwerde des Schuldners hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde des Schuldners ist begründet.
Die formalen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen bei Begehung der Zuwiderhandlungen gegen die vereinbarten Unterlassungsverpflichtungen noch nicht vor.
Vollstreckungstitel nach dem Gewaltschutzgesetz werden nach den Regeln der ZPO vollstreckt, § 95 FamFG. Auch ein in einem Gewaltschutzverfahren - wie hier - ordnungsgemäß protokollierter gerichtlicher Vergleich stellt einen Vollstreckungstitel im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG dar, der nicht der gerichtlichen Bestätigung nach § 214 a FamFG bedarf, um vollstreckbar zu sein. Die gerichtliche Bestätigung nach § 214a FamFG ist Voraussetzung allein für die Ahndung eines Verstoßes als Straftat gemäß § 4 GewSchG ist (vgl. OLG Hamburg, NZFam 2019, 730).
Eine Vollstreckungsklausel ist gemäß § 86 Abs. 3 FamFG entbehrlich (vgl. BeckOK/FamFG/Schlünder, 1.5.2024, § 86 Rn. 16, OLG Hamburg NZFam 2019, 730).
Die Vollstreckbarkeit eines im Gewaltschutzverfahren geschlossenen Vergleichs tritt aber gemäß §§ 87 Abs. 2, 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, 794 Abs. 1 Nr. 1, 750 ZPO erst mit förmlicher Zustellung des schriftlichen Vergleichs sowie des Hinweises gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, 890 Abs. 2 ZPO ein, die vor Beginn der Zwangsvollstreckung oder gleichzeitig mit dieser erfolgen muss (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 21.05.2019, 13 WF 399/19, FamRZ 2019, 1947; Senat, Beschluss vom 15.12.2014, 13 WF 298/14, FamRZ 2015, 1224; Zöller/Feskorn, 35. Aufl., § 87 FamFG, Rn. 4; OLG Hamburg, Beschluss vom 08.02.2019, 2 WF 19/19, Rn. 19, FamRZ 2019, 1449). Die Vorschrift § 87 Abs. 2 FamFG bezweckt nach ihrem Wortlaut, dass sich der Schuldner aufgrund des zugestellten Beschlusses über Anlass und Umfang der bevorstehenden Vollstreckung informieren kann. Die Zustellung dient damit...