Leitsatz (amtlich)
1. Das in das Gewaltschutzrecht aufgenommene Tatbestandsmerkmal der unzumutbaren Belästigung (§ 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. b GewSchG) weist eher als die Beharrlichkeit im Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 Abs. 1 StGB) auf die Beziehung des Täters zum schutzsuchenden Gegenüber hin und auf die Wechselwirkung des beiderseitigen Verhaltens. Das wird zusätzlich betont durch den Ausschluss der unzumutbaren Belästigung, wenn die nachstellenden und verfolgenden Handlungen der Wahrnehmung berechtigter Interessen dienen (§ 1 Abs. 2 S. 2 GewSchG). Der Bestand gewisser Rechtsbeziehungen kann dem Verhalten den Makel der unzumutbaren Belästigung nehmen und den Anspruch auf eine Gewaltschutzanordnung ausschließen. Die Beurteilung einer unzumutbaren Belästigung erfordert danach eine umfassende Bewertung nicht nur des objektiv beobachtbaren äußerlichen Verhaltens der belästigenden Person, sondern zudem eine wertende Berücksichtigung der Wirkungen auf die schutzsuchende Person, die deren Empfinden und Reaktionen und die rechtlichen und persönlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander einbezieht.
2. Auch nur wenige Mitteilungen können das Maß des Zumutbaren verlassen, wenn sie unsachlich, beschimpfend oder im Verhältnis zum Mitteilungsgegenstand unangemessen ausfallen oder wenn sie den Empfänger mit Rücksicht auf dessen dem Absender bekannte Empfindlichkeit übermäßig beanspruchen. Unzumutbar sind Mitteilungen, die unabhängig von ihrem Gegenstand und Inhalt stets in forderndem, dominantem, beherrschendem Ton abgefasst sind, obwohl der Absender weiß, dass der Empfänger darauf nur hilflos, eingeschüchtert und verängstigt reagieren kann (vgl. Senat, NJW-RR 2019, 837).
Verfahrensgang
AG Neuruppin (Aktenzeichen 52 F 63/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 7. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller erstrebt mit seiner Beschwerde den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, die das Amtsgericht abgelehnt hat.
Die Beteiligten haben sich bei ihrer Tätigkeit beim ... kennengelernt, wo der Antragsteller als Pädagoge beschäftigt ist und die Antragsgegnerin als Sozialpädagogin im Zeitraum vom 27. Januar 2020 bis zum 13. März 2020, unter Freistellung ab dem 28. Februar, angestellt war. Auch nach ihrer Freistellung hatten die Beteiligten noch Kontakt.
Der Antragsteller hat vorgetragen, die Antragsgegnerin habe ihn unzumutbar belästigt, indem sie ihn per WhattsApp und fernmündlich gegen seinen ausdrücklich erklärten Willen wiederholt, nämlich am 17., 24., 31. März, 2., 3., 21. April, 4., 5., 15., 19., 22., 25. Mai, 3. Juni und 3. und 17. Juli 2020 durch Text- oder Sprachnachrichten kontaktiert habe. Zudem habe sie zahlreiche Anrufversuche, namentlich am 25. März, 2. und 20. April, 1. Mai, am 3., 5., 10. und 21. Juni, am 8., 11., 15., 18., 20. und 21. Juli 2020, unternommen und es habe zahlreiche mobiltelefonische Anrufversuche mit unterdrückter Nummer gegeben, die er der Antragsgegnerin zuordne.
Der Antragsteller hat beantragt,
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet es zu unterlassen,
a) die Wohnung des Antragstellers ... zu betreten,
b) sich im Umkreis von 50 m von der Wohnung des Antragstellers ... aufzuhalten,
c) die Hauptarbeitsstelle des Antragstellers ..., sowie die Nebenstelle seines Arbeitgebers, ..., zu betreten,
d) sich um Umkreis von 50 m von der Hauptarbeitsstelle des Antragstellers ..., sowie von der Nebenstelle seines Arbeitgebers, ..., aufzuhalten,
e) in irgendeiner Form Verbindung zum Antragsteller aufzunehmen, etwa durch persönliche Ansprache, Telefonat, Fax, E-Mail, SMS, WhatsApp und sonstige Fernkommunikationsmittel,
f) sonst ein Zusammentreffen mit dem Antragsteller herbeizuführen und sich dem Antragsteller auf weniger als 50 m zu nähern bzw. bei einem zufälligen Zusammentreffen diesen Abstand nicht sofort wieder herzustellen.
2. Der Antragsteller kann zur Beseitigung einer jeden andauernden Zuwiderhandlung der Verpflichteten einen Gerichtsvollzieher zuziehen, der befugt ist, bei Widerstand der Verpflichteten Gewalt anzuwenden und zu seiner Unterstützung Polizeibeamte hinzuzuziehen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG, § 758 Abs. 3 ZPO).
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Sie hat vorgetragen,
nicht die Absicht zu haben, persönlichen Kontakt mit dem Antragsteller aufzunehmen. Von seiner Anschrift habe sie dementsprechend erst durch den vorliegenden Antrag erfahren. Der Antragsteller habe ihr zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses bei ..., bei dem er beschäftigt sei, Avancen gemacht. Von Nachbarn sei er in den Monaten Juni und Juli 2020 häufig in der Nähe ihres Wohnhauses gesehen worden und habe ihr zweimal einen Brief in den Briefkasten geworfen. In der Nacht vom 17. zum 18. Juli 2020 seien von seinem Handy mehrere Kurznachrichten mit boshaftem, beleidigendem I...