Verfahrensgang

AG Perleberg (Entscheidung vom 06.06.2006; Aktenzeichen 24 OWi 575/05)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Perleberg vom 6. Juni 2006 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Perleberg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg verhängte gegen den Betroffenen wegen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung berauschender Mittel eine Geldbuße von 350 Euro und setzte ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn fest. Das Amtsgericht hat den Betroffenen von diesem Tatvorwurf mit Urteil vom 6. Juni 2006 aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil allein die beim Betroffenen festgestellte Konzentration Tetracydrocannabinol (THC) von 1,2 ng/ml sowie Amphetamin von 15,9 ng/ml im Serum ohne vorliegende Fahrfehler und körperliche Ausfallerscheinungen nicht belege, dass er entsprechend § 24 a Abs. 2 StVG unter der Wirkung berauschender Mittel gestanden habe. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beigetreten ist.

II.

Das entsprechend § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und gemäß § 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel, über das der Senat nach Übertragung der Sache durch den Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet, hat Erfolg. Das amtsgerichtliche Urteil hält der auf die Sachrüge hin veranlassten Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand.

1.

Das Amtsgericht hat sich zur Begründung seines freisprechenden Urteils auf ein Sachverständigengutachten bezogen, das es u.a. zu der Frage eingeholt hatte, ob die beim Betroffenen festgestellte Konzentration von THC und Amphetamin aus wissenschaftlicher Sicht (nicht) geeignet sei, die Möglichkeit einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zu begründen. Der Sachverständige sei hinsichtlich der Frage des Cannabiskonsums zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Fahrsicherheit (erst) dann angenommen werden könne, wenn der von der Grenzwertkommission empfohlene Wert von 1 ng/ml THC erreicht sei. Das Bundesverfassungsgericht habe das Bestimmungsmedium zur Feststellung der entsprechenden Grenzwerte jedoch nicht benannt, so dass nicht feststehe, ob es sich hierbei um eine Konzentration "im Blut" oder "im Serum" handeln soll. Da sich entsprechend dem Sachverständigengutachten insoweit ein Umrechnungsfaktor von 1 ("im Blut") zu 2 ("im Serum") ergebe, sei davon auszugehen, dass der Grenzwert bei 2,0 ng/ml im Serum liege und im vorliegenden Fall damit nicht erreicht sei. In den Urteilsgründen ist ferner Folgendes ausgeführt:

"Nur ergänzend sei auf die aus aktueller wissenschaftlicher Sicht laut Gutachten nachvollziehbar dargelegte Auffassung des Sachverständigen in seinem Gutachten auch für einen Wert von 1,2 ng/ml THC im Serum verwiesen, Zitat: 'Kombiniert man diese Resultate der Dynamik und Kinetik von Cannabis ist aus wissenschaftlicher Sicht eine festgestellte Konzentration von 1,2ng/ml THC im Serum nicht geeignet, die Möglichkeit einer Einschränkung der Fahrsicherheit zu begründen'. Im Weiteren weist der Sachverständige zudem orientiert an die Beweisfrage darauf hin, dass die beim Betroffenen festgestellte THC-Konzentration subjektiv nicht wahrzunehmen sein dürfte."

2.

Die Urteilsbegründung weist durchgreifende Rechtsfehler auf. Die Würdigung des Sachverständigengutachtens ist bereits insofern unzureichend, als das Amtsgericht die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen nicht so wiedergibt, wie dies für eine Überprüfung der Beweiswürdigung in der Rechtsbeschwerdeinstanz erforderlich gewesen wäre (vgl. hierzu BGH NStZ 1991, 596 f.). Warum die festgestellte Konzentration von THC nicht geeignet sein soll, die Möglichkeit einer Einschränkung der Fahrsicherheit zu begründen, vermag der Senat anhand der Urteilsgründe nicht nachzuvollziehen. Darüber hinaus widerspricht die Wertung hinsichtlich des THC-Grenzwertes der herrschenden und zutreffenden - zum Teil allerdings erst zeitlich nach der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts ergangenen - obergerichtlichen Rechtsprechung.

a)

Gemäß § 24 a Abs. 2 Satz 1 StVG in der seit dem 1. August 1998 geltenden Fassung handelt ordnungswidrig, wer zumindest fahrlässig unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24 a StVG aufgeführten berauschenden Mittels - hier: Cannabis - im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt. Nach der Legaldefinition des § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG liegt eine solche Wirkung vor, wenn eines der betreffenden Mittel im Blut nachgewiesen ist.

Der Gesetzgeber hat insoweit keinen Mindestgrenzwert bestimmt, sondern ein generelles Verbot eingeführt, weil einerseits e...

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