Leitsatz (amtlich)

Ausgleichszahlung unter getrennten nichtehelichen Lebenspartnern: Anforderungen an die Anfechtungserklärung; Nachschieben von Anfechtungsgründen; Kondiktionsausschluss wegen beiderseitigen Sittenverstoßes

 

Normenkette

BGB §§ 123, 138, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 817 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 12.05.2011)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 12.5.2011 verkündete Urteil des LG Potsdam wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Berufungswert wird auf 185.391,80 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beklagte begehrt im Rahmen ihrer Widerklage - nur insoweit ist der Rechtsstreit noch im Berufungsverfahren anhängig - die Rückzahlung eines angeblich am 15.4.2008 in C. an den Kläger gezahlten Betrages von 175.000 EUR.

Die Parteien waren von 1997 bis Januar 2007 nichteheliche Lebenspartner. Nach Beendigung der Lebensgemeinschaft nahm die Beklagte Kontakt mit Rechtsanwalt ... auf und bat darum, die Rechtslage nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu klären. Es kam zu Verhandlungen der Parteien über eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung; es wurden verschiedene Vertragsentwürfe erarbeitet. Gegenstand der Entwürfe war u.a. die Übertragung eines im Eigentum der Beklagten stehenden Bungalowgrundstücks.

Mit Schreiben vom 19.9.2007 erklärte sich die Beklagte zur Sicherung möglicher Ansprüche des Klägers zur Eintragung einer Eigentümerbriefgrundschuld bereit und schlug vor:

"In der Zwischenzeit werden die Parteien die vertraglichen Vereinbarungen in einem Textentwurf abschließend fixieren."

Im Weiteren holte die Beklagte zwei Wertgutachten über den Grundstückswert der im Streit stehenden Grundstücke ein.

Durch Schreiben vom 2.11.2007 und 19.12.2007 nahm die Beklagte auf vom Kläger vorgeschlagene Vereinbarungen Bezug und wies darauf hin, dass "das Steuerproblem der Grundstücksübertragung bzw. der Zuwendung des Verkaufserlöses des zweiten Grundstückes zu klären sei.

In einem Gespräch am 18.1.2008 in den Räumen des Rechtsanwalts ... wurden ein weiteres Mal die Verhandlungspositionen auch unter steuerlichen Gesichtspunkten ausgetauscht. Im Ergebnis beabsichtigte die Beklagte, Vermögensübertragungen zugunsten des Klägers "im Zuge einer emotionalen Verpflichtung" vorzunehmen (Schreiben des Rechtsanwalts ... an die Beklagte vom 24.1.2008).

Über das Vermögen des Klägers wurde beim AG Offenburg (Az. 1 IN 108/02) ein Insolvenzverfahren geführt. Mit Beschluss vom 27.2.2008 erteilte das AG Offenburg die Restschuldbefreiung.

Am 15.4.2008 trafen sich die Parteien in den Räumen der Tischlerei Si. in C. Dort unterzeichnete der Kläger eine von Rechtsanwalt ... erstellte Vereinbarung zur Regelung der wechselseitigen Verhältnisse nach Beendigung der Lebenspartnerschaft. Die Vereinbarung enthält verschiedene Verpflichtungen der Parteien, sieht jedoch die Zahlung eines Geldbetrages nicht vor. Sie enthält allerdings folgende Ausgleichsklausel:

"Die Parteien vereinbaren und stellen klar, dass mit dieser Vereinbarung und ihrer Durchführung sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Forderungen ausgeglichen und erledigt sind, gleichviel, ob diese im Rahmen der bisherigen Verhandlungen geltend gemacht wurden oder den Parteien selbst oder wechselseitig bekannt bzw. offenbart worden sind. Die Parteien vereinbaren somit eine vollständige Ausgleichsklausel."

Wegen des weiteren Wortlautes wird auf die Vereinbarung (Blatt 71 d.A.) Bezug genommen. Ob die Beklagte dem Kläger bei dieser Gelegenheit 175.000 EUR übergeben hat, ist streitig.

Nachdem der Kläger Anfang September 2008 erneut Forderungen u.a. gegen die Beklagte erhoben hatte, führte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit dem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 13.9.2008 aus, dass der Kläger in C. "unter der Absprache, dass eine Schenkungssteuer nicht anfallen solle", 175.000 EUR in bar erhalten habe und stellte fest, "dass die Zahlung möglicherweise ohne Rechtsgrund erfolgt ist und begehre bereits jetzt die Rückzahlung gem. § 812 BGB an meine Mandantin B ... S..., da augenscheinlich unter Irrtumserregung und gleichzeitiger Drohung mit einem empfindlichen Nachteil gegenüber den anderen Mandanten, diese dazu genötigt wurden, den vermeintlichen Ausgleichsbetrag aufzubringen. (Sie drohten mit entsprechenden Nachteilen für B. S.)."

Wegen des Inhalts des Schreibens vom 13.9.2008 im Übrigen wird auf Blatt 8 d.A. Bezug genommen.

Mit dem weiteren Schreiben vom 6.5.2009 erklärte die Beklagte dann "die Anfechtung der Zahlung ... i.H.v. 175.000 EUR... aus jedem erdenklichen Rechtsgrund."

Der Kläger hat vorgetragen, der Betrag von 175.000 EUR sei ihm nicht übergeben worden; Drohungen von ihm habe es nicht gegeben. Die Beklagte sei im Rahmen der Vergleichsverhandlung...

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