Leitsatz (amtlich)

Zur Begründung eines tarifvertraglichen Abfindungsanspruches nach § 4 Abs. 1 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung reicht es nicht aus, wenn der Arbeitnehmer zwar zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht aber zum Zeitpunkt der Kündigung Gewerkschaftsmitglied gewesen ist. § 4 Abs. 1 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung ist i.V.m. § 4 Abs. 3 dahin auszulegen, dass der Abfindungsanspruch nur entsteht, wenn eine beiderseitige Tarifbindung bereits zum Zeitpunkt des Zuganges der nach § 4 Abs. 1 vorausgesetzten Kündigung aus Gründen des Personalabbaus besteht.

Es besteht daher kein Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung gegen den Rechtsanwalt, der das Mandat für eine Kündigungsschutzklage übernimmt und dem Mandanten, der nicht Gewerkschaftsmitglied ist, nicht empfiehlt, bis spätestens zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Gewerkschaft beizutreten, um dadurch einen tarifvertraglichen Abfindungsanspruch nach § 4 Abs. 1 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung zu erlangen.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 22.04.2009; Aktenzeichen 14 O 211/08)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.4.2009 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Frankfurt/O., Az.: 14 O 211/08, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kl., die kein Gewerkschaftsmitglied ist, wurde zum 1.4.1991 von der ... GmbH als Verwaltungskraft übernommen. Sie erhielt am 29.7.2006 von der ... GmbH eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2006. Sie beauftragte daraufhin am 13.7.2006 die Sozietät der Bekl. mit ihrer Interessenvertretung, wobei der genaue Umfang des Mandates streitig ist. Die Bekl. erhob namens und in Vollmacht der Kl. Kündigungsschutzklage vor dem ArbG Frankfurt/O.. Die Klage wurde durch Urteil des ArbG vom 18.10.2006 abgewiesen; die dagegen gerichtete Berufung der Kl. durch Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 18.4.2007 zurückgewiesen.

Die Bekl. erhob daraufhin namens und in Vollmacht der Kl. Klage gegen die ... GmbH auf Zahlung einer Abfindung unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag zur sozialen Absicherung, der auf das Arbeitsverhältnis mit der ... GmbH anwendbar sei. Die Klage wurde mit Urteil des ArbG Frankfurt/O. vom 30.10.2007 abgewiesen mit der Begründung, der Tarifvertrag zur sozialen Absicherung scheide als Anspruchsgrundlage aus, da die Klägerin nicht der Gewerkschaft angehört und damit nicht Mitglied einer den Tarifvertrag abschließenden Partei gewesen sei.

Die Kl. nahm daraufhin die Bekl. im Wege des Schadensersatzes auf Zahlung der nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung zu zahlenden Abfindung mit der Begründung in Anspruch, die Bekl. hätte ihr bei Übernahme des Mandates empfehlen müssen, der Gewerkschaft ... beizutreten, da ihr bei Beitritt bis spätestens zum 31.12.2006 ein tarifvertraglicher Abfindungsanspruch zugestanden hätte.

Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Der Klägerin steht ggü. der Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Anwaltsvertrag zu. Die Beklagte hat die ihr ggü. der Klägerin aus dem Anwaltsvertrag obliegenden Pflichten nicht verletzt.

1. Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt zur allgemeinen umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet, soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rats nur in einer bestimmten Richtung bedarf. Unkundige muss der Rechtsanwalt über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, um Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er seinem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist. Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich dabei nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Einzelfalles. Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte Entscheidungen in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen. Dabei hat der Anwalt den Mandanten auch innerhalb eines eingeschränkten Mandates vor Gefahren zu warnen, die sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich dieser Gefahr nicht bewusst ist (vgl. BGH NJW 2007, 2485, 2486; BGH NJW-RR 2008, 1235, 1236 m.w.N.). Im Rahmen der Übernahme eines Mandates für eine beabsichtigte Kündigungsschutzklage ist der Rec...

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