Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschafter einer veräußerten GmbH wegen existenzvernichtenden
Leitsatz (amtlich)
1. Haben geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH, die zum Verkaufszeitpunkt nicht insolvenzreif war, ihre Geschäftsanteile veräußert mit der Folge, dass das Unternehmen von einem Erwerber übernommen wurde, hat keine Liquidation stattgefunden. (Rz. 28)
2. Lässt sich nicht feststellen, dass die Gesellschafter ihrem Unternehmen Geschäftschancen mit dem Ziel entzogen haben, diese auf eine andere von ihnen beherrschte Gesellschaft zu verlagern, ist ein Haftungsdurchgriff wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs nicht begründet. (Rz. 31)
3. Aus der Übernahme einzelner Kunden lässt sich eine Haftung unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs allein nicht herleiten. (Rz. 34)
Normenkette
BGB §§ 631, 826
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 11.01.2006) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.1.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/O. abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.Die Klägerin schloss mit der M. J. betrieb J. GmbH (demnächst: GmbH) am 17.5.2004 einen Vertrag, wonach sie Gerüstarbeiten gegen Zahlung einer Pauschale von 53.000 EUR netto ausführen sollte. Die Beklagten waren geschäftsführende Gesellschafter der GmbH. Am 6.8.2004 veräußerten sie ihre Geschäftsanteile an der GmbH im Nennwert von insgesamt 60.000 EUR zu einem Kaufpreis von 5.000 EUR an R. L. Am 29.11.2004 wurde für die GmbH ein Insolvenzantrag gestellt. Durch Beschluss vom 9.2.2005 wies das AG Charlottenburg die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab.
Die Beklagten gründeten zeitgleich mit der Übertragung ihrer Anteile ein neues Unternehmen unter der Firma M. GmbH & Co. KG Malerei- und Trockenbaumontage.
Die Klägerin nimmt die Beklagten - persönlich - auf Begleichung ihrer restlichen Werklohnforderung i.H.v. 12.535,83 EUR in Anspruch.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an sie 12.535,83 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 17.6.2005 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat der Klage unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs stattgegeben.
Die Beklagten haben gegen das ihnen am 17.1.2006 zugestellte Urteil am 26.1.2006 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung am 4.4.2006 begründet.
Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Beklagten beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel auch Erfolg, weil die Klage nicht begründet ist.
1. Entgegen den Ausführungen des LG kann die Klägerin die Beklagten nicht im Wege des Haftungsdurchgriffs unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs in Anspruch nehmen.
a) Das Rechtsinstitut des existenzvernichtenden Eingriffs hat der BGH im Wege der Rechtsfortbildung entwickelt (s. hierzu: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 13 GmbHG, Rz. 17 ff.). Dabei sind im Wesentlichen drei Fallgruppen zu unterscheiden.
Erstens:
Nach der Entscheidung BGHZ 151, 181, 186 müssen Alleingesellschafter oder einverständlich handelnde Gesellschafter für Nachteile einstehen, die den Gesellschaftsgläubigern dadurch entstehen, dass sie der Gesellschaft Vermögen entziehen, das sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt.
Den Gesellschaftern steht es frei, die (Existenz der) Gesellschaft jederzeit zu beenden, sei es im Rahmen einer freiwilligen Liquidation, sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. In jedem Fall hat ihre Beendigung jedoch in einem geordneten Verfahren zu erfolgen, in dem die Vermögenswerte der Gesellschaft zunächst zur Befriedigung ihrer Gläubiger zu verwenden sind (BGHZ 151, 181, 186).
Zweitens:
In dem Urt. v. 13.12.2004 - II ZR 256/02 (GmbHR 2005, 299, 301) hat der BGH eine Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs für möglich erachtet, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft Geschäftschancen und Ressourcen mit dem Ziel entzieht, sie auf eine andere von ihm beherrschte Gesellschaft zu verlagern. Das setzt allerdings voraus, dass wirtschaftlich verwertbare Geschäftschancen überhaupt noch bestanden, deren Nutzung eine günstigere Gestaltung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft im Hinblick auf ihre Fähigkeit zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten ermöglicht hätte.
Drittens:
Ein Missbrauch der Rechtsform der GmbH wird auch für die Fall einer sog. wilden oder kalten Liquidation gesehen (Baumbach/Hueck, § 13 Rz. 17).
Hierbei zieht der Gesellschafter im Vorwege die in der Gesellschaft gebündelten wertvollen Geschäftschancen an sich und überlässt anschließend den seiner Funktion als ...