Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 13 O 19/21)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.02.2024; Aktenzeichen VIa ZR 949/22)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12.07.2021, Az. 13 O 19/21, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wegen einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.

Der Kläger erwarb am ... 2011 von der Autohaus ... OHG in ... einen BMW 330d xDrive Touring zu einem Kaufpreis von 43.590 EUR brutto; der Kauf wurde durch ein Darlehen finanziert. Das am 12.11.2010 erstzugelassene Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von 4.500 km auf.

In dem Fahrzeug ist der von der Beklagten hergestellte und entwickelte Motor des Typs N 57 (in der Applikation N57D30O0) der Schadstoffklasse Euro 5 mit einer Leistung von 180 kW verbaut. Der Motor und dessen Steuerung wurde von der Systemgenehmigungsbehörde NSAI (National Standards Authority of Ireland) vorab geprüft und zugelassen. Die Bescheinigung wurde dem KBA im Rahmen des Antrags auf Erteilung der Typengenehmigung vorgelegt und von ihm zugrunde gelegt. Eine Abgasnachbehandlung durch einen SCR- oder NOx-Katalysator findet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug, das von einem Rückruf nicht betroffen ist, nicht statt.

Mit Anwaltsschreiben vom 23.11.2020 forderte der Kläger die Beklagte zur "entsprechenden Rückabwicklung" bis zum 07.12.2020 auf.

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über diverse unzulässige Abschalteinrichtungen. Nur so lasse sich erklären, dass von der Beklagten hergestellte Fahrzeuge die Schadstoffgrenzwerte (NOx) der Euronorm 5 im realen Straßenbetrieb im Unterschied zu den Messergebnissen auf dem Prüfstand im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens massiv überschritten. Dies hätten insbesondere Messungen des Bundesumweltamtes sowie der Deutschen Umwelthilfe ergeben, wonach bei vergleichbaren Motoren der zulässige Grenzwert an NOx von 180 mg/km deutlich überschritten werde. Diese Messergebnisse seien auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragbar, da in den getesteten Fahrzeugen ebenfalls ein vergleichbarer Motor der Beklagten verbaut sei.

In dem Fahrzeug sei ein Thermofenster eingebaut, das bewirke, dass nur in einem Temperaturbereich von +17 bis +33 Grad Celsius die Emissionsstrategie zu 100 % funktioniere. Außerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Wirkungsweise der Abgasreinigung iterativ reduziert und schließlich ganz abgeschaltet. Da diese Abschaltung von den Außentemperaturen abhänge, sei die Abschaltung in den kalten Monaten von November bis einschließlich Februar dauerhaft aktiv und eher die Regel als die Ausnahme.

Darüber hinaus erkenne die Motorsteuerungssoftware im Rahmen des sog. "Hard Cycle Beating" anhand diverser Parameter, ob sich das Fahrzeug im Prüfstand des Typgenehmigungsverfahrens befinde, nur in diesem Fall funktioniere die Abgasreinigung optimal; sofern sich das Fahrzeug im Normalbetrieb befinde, werde das Abgasrückführungsventil im Unterschied zum Betrieb auf dem Prüfstand - jedenfalls ab 3000 Umdrehungen - komplett geschlossen und eine Abgasrückführung finde nicht mehr statt. Werde der Fahrzyklus des NEFZ durchlaufen, werde die Abgasrückführung entsprechend aktiviert. Werde hingegen der NEFZ-Zyklus in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen, werde die Abgasrückführung reduziert, wie auch Tests des englischen "Department for Transport" gezeigt hätten. Ferner sei eine Standzeiterkennung implementiert: Stehe das Fahrzeug zur "Konditionierung" 6 Stunden oder länger in einer Umgebungstemperatur von 20-30 Grad Celsius, werde die Prüfstandserkennung aktiviert. Wie der frühere Vorstandsvorsitzende der Beklagten, Herr D..., eingeräumt habe, habe es bei der Beklagten eine intern als "14/15-V"-Funktion bezeichnete Abschalteinrichtung gegeben, die mit der bei Volkswagen eingesetzten Umschaltlogik vergleichbar sei. Überdies schalte die Abgasrückführung ab einer Gesamtlaufleistung von 60.0000 km schlicht aus, da bei derartig "alten" Fahrzeugen i.d.R. keine NEFZ-Prüfungen mehr durchgeführt würden. Zudem sei die sog. On-Board Diagnose-Einheit dahingehend manipuliert, dass bei Änderung der Abgasreinigungsstrategie des Fahrzeuges durch Schließung der Abgasrückführung eine Fehlermeldung nicht ausgegeben werde.

Die Beklagte habe das Vorhandensein dieser Abschaltvorrichtungen dem Kraftfahrbundesamt im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens nicht offen gelegt; jedenfalls treffe die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast für die Angabe aller rel...

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