Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34; BbgStrG § 9 Abs. 4, § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 11 O 433/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.2.2001 verkündete Urteil des LG Frankfurt (Oder) – 11 O 433/00 – abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 913,25 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 16.4.2000 zu zahlen;
es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger den zukünftig noch entstehenden Schaden aus dem Unfallereignis vom 9.12.1999 auf der L 281 zu ersetzen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat in vollem Umfang Erfolg. Dem Kläger steht gegen das beklagte Land ein Anspruch auf Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung wegen des Vorfalles vom 9.12.1999 auf der L 281 zu, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.
Dem beklagten Land oblag die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des fraglichen Straßenbaumes, von dem der Ast herabgefallen und zu einer Schädigung des PKWs des Klägers geführt hat, als Amtspflicht gem. §§ 9 Abs. 4 S. 1, 10 Abs. 1 BbgStrG. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst den Schutz vor Gefahren, die von Straßenbäumen ausgehen, sei es durch Herabfallen von Teilen eines Baumes, sei es durch Umstürzen eines Baumes selbst (allgemeine Ansicht, vgl. nur BGH VersR 1965, 475; OLG Köln v. 11.6.1992 – 7 U 44/92, MDR 1992, 1128 = OLGReport Köln 1992, 317 = VersR 1992, 1370 [1371]; OLG Hamm VersR 1994, 347; ständige Senatsrechtsprechung, siehe insb. Entscheidungen v. 12.1.1999 – 2 U 40/98; v. 23.11.1999 – 2 U 125/98, v. 7.3.2000 – 2 U 58/99 und v. 17.7.2001 – 2 U 99/00). Von Straßenbäumen gehen für die Benutzer der Straße dann Gefahren aus, wenn die Bäume selbst nicht mehr hinreichend stand- bzw. bruchsicher sind und wenn die nahe liegende Möglichkeit besteht, dass Äste oder ganze Bäume unvermutet auf die Straße stürzen können. Da eine derartige Gefahr grundsätzlich von allen Bäumen ausgehen kann, obliegt es dem jeweiligen Verkehrssicherungspflichtigen, ausreichend Vorsorge dafür zu treffen, dass bei erkrankten Bäumen rechtzeitig Maßnahmen getroffen werden, die eine Gefährdung des Verkehrs im Rahmen des Zumutbaren ausschließen. Je größer die Gefährdung ist, die von dem jeweiligen Baum ausgeht (z.B.: Standort in unmittelbarer Nähe einer stark befahrenen Straße, hohes Alter des Baumes, besonders windanfällige Lage etc.), desto höher sind die Anforderungen, die an den Inhalt der Verkehrssicherungspflicht zu stellen sind. Wie der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden hat, ist es unumgänglich notwendig, dass der Verkehrssicherungspflichtige regelmäßig zweimal pro Jahr die Bäume (einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand) kontrollieren muss. Dabei kann sich die Untersuchung normalerweise auf eine Sichtprüfung vom Boden aus beschränken (vgl. neben den angeführten Senatsurteilen: OLG Köln VersR 1992, 371; OLG Hamm v. 26.1.1993 – 9 U 152/92, VersR 1994, 357; OLG Düsseldorf v. 15.3.1990 – 18 U 228/89, VersR 1992, 467). Die Untersuchung muss durch hinreichend qualifiziertes Personal durchgeführt werden. Dabei muss es sich zwar nicht notwendigerweise um Forstfachleute handeln; die Bediensteten des Verkehrssicherungspflichtigen müssen jedoch ausreichend dahin geschult worden sein, dass sie Krankheitszeichen an Bäumen erkennen können. Als Schäden am Baum, die auf Krankheiten desselben und Gefährdungen der Verkehrsteilnehmer hindeuten, kommt in erster Linie das Vorhandensein von Totholz, also unbelaubten Ästen, in Betracht. Sind Äste, die noch dazu über eine Straße oder einen Gehweg ragen, völlig unbelaubt, so ist es ohne weiteres erkennbar, dass hiervon die Gefahr eines Abbrechens unmittelbar ausgeht und Maßnahmen zur Beseitigung der Gefahr dringend ergriffen werden müssen.
Über die vorgenannten Grundsätze besteht in der Rechtsprechung Einigkeit. Unterschiedliche Bewertungen gibt es dagegen zu der Rechtsfrage, wie eingehend und in welcher Art und Weise die Kontrollen durchzuführen sind, ob insb. eine Baumschau aus einem fahrenden Fahrzeug heraus durchgeführt werden kann. So hat der Senat in seinem Urteil (OLG Brandenburg, Urt. v. 7.3.2002 – 2 U 58/99 = OLGReport Brandenburg 2002, 169) entschieden, eine Begutachtung aus dem fahrenden Fahrzeug reiche jedenfalls dann nicht aus, wenn bei einem sehr hohen Baum vom Boden aus Totholz wegen äußerst dichter Kronen keinesfalls erkennbar ist. Der Senat hat ausgeführt, eine visuelle Kontrolle könne nur dann sinnvoll sein, wenn diese auch so durchgeführt werde, dass der Baum tatsächlich in seinen Einzelheiten in Augenschein genommen werden könne. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Eine visuelle Kontrolle kann nur dann sinnvoll sein, wenn es auch möglich ist, die kontrollierten Bäume tatsächlich in ihren Ausprägungen in Augenschein zu nehmen. Wird die „Kontrolle” i...