Leitsatz (amtlich)

1. Zu den an eine ordnungsgemäße Baumschau zu stellenden Anforderungen.

2. Zur Frage der Beweislastumkehr unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung wegen Vermietung des beschädigten Baumes.

 

Normenkette

BGB § 839 Abs. 1; GG Art. 34; BbgStrG § 9 Abs. 4, § 10 Abs. 1; ZPO § 444

 

Verfahrensgang

LG Neuruppin (Urteil vom 20.06.2002; Aktenzeichen 3 O 215/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 20.6.2002 verkündete Urteil des LG Neuruppin (Az. 3 O 215/01) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Schadensersatz nach einem Baumschaden. Am 12.8.2000 gegen 10.40 Uhr stürzte in Höhe des Km 3,4 im Straßenabschnitt 40 der Landstraße L 16 (164) zwischen W. und L. ein Straßenbaum auf das Fahrzeug des Klägers, Typ Renault mit dem amtlichen Kennzeichen … . Am Fahrzeug entstand Sachschaden, der Kläger wurde verletzt.

Der Kläger hat behauptet, das beklagte Land hätte die vom Baum ausgehende Gefahr bei ordnungsgemäßer Baumschau erkennen können. Insbesondere:

  • hätten sich vor dem Baum Holzreste befunden, die nicht durch den Baumsturz verursacht seien,
  • hätte der Baum auf einer Fläche von 2 bis 3 m keinerlei Baumrinde mehr aufgewiesen,
  • sei der Baumstamm stark zersetzt gewesen und
  • hätte er abgestorbene Äste aufgewiesen.

Das beklagte Land hat behauptet, es habe wöchentlich eine Streckenkontrolle mit Sichtung auch des Straßenbegleitgrüns durchgeführt, die letzte am 11.8.2000. Zudem habe im Zeitraum 13.6.2000 bis 15.6.2000 eine der zweimal jährlich notwendigen Baumschau mit der unteren Naturschutzbehörde stattgefunden. Die Krone sei dabei vollständig belaubt gewesen, äußere Anzeichen für eine Vermorschung hätten nicht bestanden.

Das LG hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe nicht beweisen können, dass bereits vor dem Unfall die Vermorschung des Baumes für das beklagte Land erkennbar gewesen sei. Dem Sachverständigen würden notwendige Anknüpfungstatsachen fehlen. Auch die vom Kläger benannten Zeugen könnten lediglich Bekundungen über den Zustand des Baumes nach dem Unfall machen. Sie seien deshalb auch nicht zu hören.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit der am 7.8.2002 eingelegten und am 9.9.2002 begründeten Berufung gegen das dem Kläger am 9.7.2002 zugestellte Urteil verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter. Er ist der Auffassung, das LG sei seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen. Insbesondere hätte es auf die sekundäre Darlegungslast bei der Frage der Durchführung der Kontrolle hinweisen müssen. Zudem sei mit der Beseitigung des Straßenbaumes entsprechend § 444 ZPO eine Beweislastumkehr eingetreten. Weiter führt er aus, die Rindenverluste wären bereits vor dem Unfall sichtbar gewesen; auf dem Bild Bl. 18 d.GA. sei eine große Schnittwunde erkennbar. Allein dies gebe hinreichend Anlass, den Baum bei der Baumschau genauer zu untersuchen. Auch die Holzspäne am Fuß des umgestürzten Baumes erlaubten den Schluss, dass die Eiche schon seit langer Zeit tot sei.

Das beklagte Land verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft die erstinstanzlichen Ausführungen.

II. Dem Kläger steht kein Schadensersatz nach den Grundsätzen der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) zu.

Dem beklagten Land oblag die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Straßenbaumes, der am 12.8.2000 gegen 10.40 Uhr auf der L 164 zwischen W. und L. umstürzte und den Pkw des Klägers beschädigt hat, als Amtspflicht gem. §§ 9 Abs. 4, 10 Abs. 1 BbgStrG. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst den Schutz vor Gefahren, die von Straßenbäumen ausgehen, sei es durch Herabfallen von Teilen eines Baumes, sei es durch Umstürzen eines Baumes selbst (vgl. BGH VersR 1965, 475; OLG Köln v. 11.6.1992 – 7 U 44/92, MDR 1992, 1128 = OLGReport Köln 1992, 317 = VersR 1992, 1370 f.; OLG Hamm VersR 1994, 347; st. Rspr., insb. Entscheidung des OLG Brandenburg v. 12.1.1999 – 2 U 40/98, OLGReport Brandenburg 1999, 68; v. 23.11.1999 – 2 U 125/98; v. 7.3.2000 – 2 U 58/99, OLGReport Brandenburg 2000, 169; v. 26.6.2001 – 2 U 99/00, MDR 2002, 93 = OLGReport Brandenburg 2001, 497; v. 12.3.2002 – 2 U 17/01, OLGReport Brandenburg 2002, 411). In diesem Zusammenhang muss nach ständiger Senatsrechtsprechung der Verkehrssicherungspflichtige durch hinreichend qualifiziertes Personal regelmäßig zweimal pro Jahr die Bäume (einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand) kontrollieren. Dabei kann sich die Untersuchung normalerweise auf eine Sichtprüfung vom Boden beschränken (vgl. OLG Brandenburg v. 12.1.1999 – 2 U 40/98, OLGReport Brandenburg 1999, 68; v. 23.11.1999 – 2 U 125/98; v. 7.3.2000 – 2 U 58/99, OLGReport Brandenburg 2000, 169; v. 26.6.2001 – 2 U 99/00, MDR 2002, 93 = OLGReport Brandenburg 2001, 497; v. 12.3.2002 – 2 U 17/01, OLGReport Brandenburg 2002, 411). Lediglich in den Fällen, bei denen im Rahmen einer – i.d...

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