Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 13.09.2022, Az. 3 O 385/21, abgeändert und wie folgt gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.619,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.03.2022 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 40.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. Sie nimmt das beklagte Land aus übergegangenem Recht auf Ersatz geleisteten Arbeitslosengeldes und geleisteter Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch.
Der im Jahr 1952 geborene Versicherte der Klägerin, Dr. A... B..., war als Ausbilder und Bildungsberater in der Erwachsenenqualifikation tätig. Am 17.12.2011 gegen 16:30 Uhr erlitt er bei einem Sturz im Bereich der Raststätte P... an der Bundesautobahn 24 eine Oberarmkopffraktur in der rechten Schulter. Wegen der Verletzungsfolgen wurde er stationär und ab April 2012 ambulant ärztlich und therapeutisch behandelt. Nach dem Unfall litt er unter Bewegungseinschränkungen der Schulter und Schmerzen, die sich im weiteren Verlauf chronifizierten. Ferner stellte sich bei ihm eine rezidivierende depressive Störung sowie eine sonstige gemischte Angststörung mit Anteilen einer Traumafolgestörung ein.
Der Versicherte war nach dem Unfall nicht mehr beruflich tätig. Er bezog zunächst Krankengeld und meldete sich nach dessen Ende arbeitslos. Die Klägerin bewilligte ihm mit Bescheid vom 30.08.2013 (Anlage MW9) ab dem 15.06.2013 Arbeitslosengeld gemäß § 136 SGB III. Im Folgenden bis zum 14.06.2015 zahlte sie insgesamt an bzw. für ihn 27.036,00 EUR Entgeltersatzleistungen sowie 8.912,20 EUR Krankenversicherungsbeiträge, 1.219,79 EUR Pflegeversicherungsbeiträge und 10.856,90 EUR Rentenversicherungsbeiträge. Wegen der Einzelheiten der Zahlungen wird auf den von der Klägerin vorgelegten Berechnungsbogen (Anlage MW7) verwiesen. Mit Bescheid vom 18.06.2015 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung dem Versicherten ab dem 01.06.2015 eine Altersrente. Der Klägerin wurden für die von ihr im Zeitraum vom 01. bis 14.06.2015 erbrachten Leistungen von der Rentenversicherung 532,18 EUR erstattet.
Der Versicherte nahm den hiesigen Beklagten wegen des Unfallereignisses vom 17.12.2011 gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch. In dem Rechtsstreit holte das Landgericht ein medizinisches sowie ein psychiatrisches Gutachten (Anlagen MW5 und MW6) ein. Jener Rechtsstreit endete durch einen in der Berufungsinstanz vor dem erkennenden Senat geschlossenen Vergleich. Auch zwischen den hiesigen Parteien steht danach außer Streit, dass das beklagte Land dem Versicherten wegen des Unfallereignisses nach einer Quote von 75 % zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Die Klägerin hat unter Verweis auf die in dem vorgenannten Rechtsstreit eingeholten Gutachten und ein weiteres medizinisches Gutachten, das in einem vor dem Sozialgericht Rostock geführten Verfahren erstattet worden ist (Anlage MW4), behauptet, der Versicherte sei wegen des Unfalls danach durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Sie hat gemeint, nach § 116 SGB X Ersatz von 75 % der für den Versicherten erbrachten Leistungen abzüglich des von der Rentenversicherung erstatteten Betrages, mithin Zahlung von 35.619,53 EUR, nebst Rechtshängigkeitszinsen beanspruchen zu können.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Es sei zu bestreiten, dass es für den Versicherten aufgrund des Unfallereignisses erforderlich gewesen sei, seine berufliche Tätigkeit aufzugeben, und dass er im gesamten Bewilligungszeitraum dem Arbeitsmarkt oder einer angemessenen alternativen Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber gänzlich nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Vielmehr sei anzunehmen, die Klägerin habe im Hinblick auf die Einstandspflicht des Beklagten "Formalitäten... nicht so genau genommen". So seien ein Eingliederungsmanagement nicht in Betracht gezogen und der Anspruch nach § 164 Abs. 4 SGB IX vom Versicherten nicht gerichtlich geltend gemacht worden. Auch sei, obwohl das Beschäftigungsverhältnis des Versicherten nicht durch Kündigung oder Aufhebung beendet worden sei und daher ein Anspruch des Versicherten auf Zahlung sog. Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeldes nach § 145 SGB III bestanden habe, ALG I gewährt und dementsprechend mutmaßlich die nach § 145 Abs. 2 SGB III geboten gewesene Aufforderung an den Versicherten, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen, unterbliebe...