Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Haftung der Bundesrepublik Deutschland für Gesundheitsschäden eines Angehörigen der NVA infolge eines Einsatzes an Radaranlagen
Normenkette
EGBGB Art. 232 § 1; BGB § 839 Abs. 1; StaatshaftungsG/DDR § 1 Abs. 1; GG Art. 135a Abs. 2; Einigungsvertrag Art. 21 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 15.07.2005; Aktenzeichen 11 O 120/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.7.2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Frankfurt (Oder), Az.: 11 O 120/04, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges einschließlich der Kosten der Streithelfer trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der im Jahre 1940 geborene Kläger nimmt mit der am 24.3.2004 zugestellten Klage die Bundesrepublik Deutschland auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden in Anspruch mit der Behauptung, er habe im Rahmen seines früheren Dienstverhältnisses zur Nationalen Volksarmee (NVA) zwischen 1962 und 1971 durch seinen Einsatz an Radargeräten gesundheitliche Schäden erlitten. Hierzu hat er u.a. behauptet, er sei während seiner Dienstzeit an verschiedenen Geschützricht- sowie Rundblickstationen eingesetzt und dabei Radarstrahlung (HF-Strahlung), Röntgenstrahlung sowie radioaktiver Strahlung aus Röhren und Leuchtfarben ausgesetzt gewesen. Die HF-Strahlung habe den seit 1996 geltenden Grenzwert nach der 26. BlmSchGDVO überschritten. Erst Anlagen ab dem Baujahr 1969, an denen er nicht mehr gearbeitet habe, hätten über eine Abschirmung gegen Röntgenstrahlung verfügt. Die Exposition sei deshalb besonders groß gewesen, weil Fehlersuche und Reparaturen bei laufendem und geöffnetem Gerät vorgenommen worden seien. Eine Belehrung sei seinerzeit ebenso wenig erfolgt wie die Anordnung von Schutzmaßnahmen. Der Kläger hat weiterhin behauptet, Ende 2000 sei bei ihm ein "Karzinom im Genitalbereich festgestellt worden, aus dem jederzeit Krebs entstehen könne". Später hat er dies dahin konkretisiert, er leide an einer Pilzinfektion als Vorstufe zum Genitalkrebs. Weiterhin sei im Juli 2003 ein zirkulärer Kariesbefall der Zahnhalsbereiche und im Januar 2004 eine gutartige Form von Muskelschwäche (Myopathie) sowie eine lumbale Plexopathie diagnostiziert worden. Alle diese Erkrankungen seien auf Strahlenexposition während seiner Dienstzeit in der NVA zurückzuführen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen Republik (Staatshaftungsgesetz, StHG, vom 12.5.1969, GBl. DDR I S. 34, Im Folgenden StHG) gegeben seien und die Beklagte hierfür nach Art. 21 Abs. 1 Einigungsvertrag einzustehen habe. Die Haftung nach § 1 Abs. 1 StHG folge daraus, dass die Tätigkeit an den technischen Hinrichtungen auf Befehl seiner Vorgesetzten zum Zwecke der Landesverteidigung erfolgt sei, sodass sein Einsatz auf eine Tätigkeit staatlicher Organe in Ausübung staatlicher Tätigkeit zurückzuführen sei. In den Art. 21 f. des Einigungsvertrages sei zwar eine Universalsukzession der Beklagten in das Vermögen der DDR nicht geregelt; Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Einigungsvertrag enthalte jedoch eine gegenständlich beschränkte Einzelrechtsnachfolge im Hinblick auf Vermögenswerte, die unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dienten. Dies sei im Hinblick auf die nach der Behauptung des Klägers von der Beklagten als NVA-Vermögen übernommenen technischen Geräte der Fall, weil die gesundheitliche Schädigung durch den Aufenthalt im unmittelbaren Gefahrenbereich der technischen Anlagen aufgetreten sei.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und die Auffassung vertreten, dass für Ansprüche von Soldaten der NVA ggü. der DDR als Dienstherrn das Staatshaftungsgesetz nicht anzuwenden sei; ferner sei mit dem Anspruch auf Dienstbeschädigungsausgleich eine anderweitige und der Anspruch nach § 3 Abs. 3 StHG ausschließende Ersatzmöglichkeit gegeben. Verbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung seien im Übrigen grundsätzlich keine Vermögenswerte, welche als unmittelbar mit positiven Vermögenswerten in Zusammenhang stehende Positionen gem. Art. 21 Abs. 1 Einigungsvertrag auf sie übergegangen seien. Dies entspreche sowohl dem Willen der Parteien des Einigungsvertrages als auch der Rechtsprechung des BGH, der einen solchen unmittelbaren Zusammenhang für Schadensersatzansprüche stets abgelehnt habe.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen und des weiteren Parteivorbringens wird im Übrigen verwiesen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.
Mit dem am 15.7.2005 verkündeten Urteil ...