Verfahrensgang

LG Cottbus (Aktenzeichen 6 O 203/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 30.03.2021, Az. 6 O 203/19, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Cottbus ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 19.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom ...2017 von der ... GmbH & Co KG in ... den streitgegenständlichen VW Touran 1.6 TDI als Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 44.300 km zu einem Kaufpreis von 17.300,00 EUR brutto. Die Erstzulassung datiert vom 06.05.2015. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter und entwickelter Dieselmotor des Typs EA 189 mit der Schadstoffklasse Euro 5 verbaut, der über eine geregelte Abgasrückführung verfügt.

In dem Fahrzeug war eine Software implementiert, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Abgasprüfstand befand oder im normalen Straßenverkehr. Abhängig davon wurde die Abgasrückführung entweder aktiviert - um auf dem Prüfstand die NOx-Grenzwerte einhalten zu können - (Abgasrückführungsmodus 1) oder erheblich reduziert bis zur vollständigen Inaktivierung der Abgasrückführung (Abgasrückführungsmodus 0).

Die Beklagte hatte bereits am 22. September 2015 eine Ad-hoc-Mitteilung und eine gleichlautende Pressemitteilung herausgegeben, in der sie "Unregelmäßigkeiten" in Bezug auf die verwendete Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189 einräumte, die in weltweit mehr als elf Millionen Fahrzeugen verbaut seien. Sie sprach in der Mitteilung von einer "auffälligen Abweichung" zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb sowie davon, an der Beseitigung dieser Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu arbeiten und hierzu im Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zu stehen. Die Beklagte arbeitete mit dem KBA in der Folgezeit zusammen. Am 15.10.2015 erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des KBA mit einer nachträglichen Nebenbestimmung zur Typengenehmigung. Das KBA ging von einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese - unter Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte - zu beseitigen. Die Beklagte schaltete auf ihrer Website einen Link zu einer Suchmaschine frei, mit deren Hilfe durch Eingabe der Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN) festgestellt werden konnte, ob ein konkretes Fahrzeug mit der beanstandeten Motorsteuerungssoftware ausgestattet war. Sie informierte ihre Servicepartner und Vertragshändler über die Verwendung der Umschaltlogik. Sie stellte ein Software-Update bereit, um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Die Halter der betroffenen Fahrzeuge wurden aufgefordert, diese zum Aufspielen des Software-Updates in die Werkstätten zu bringen. Das entsprechende Software-Update wurde auch an dem streitgegenständlichen Fahrzeug durchgeführt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte hafte wegen sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sowie i.V.m. §§ 4, 6 EG-FGV. Er hat die Feststellung zur Verpflichtung von Schadenersatz verlangt. Er ließ sich in dieser Sache zunächst am 18.12.2018 in das Klageregister für die Musterfeststellungsklage eintragen und nahm am 14.06.2019 die Anmeldung wieder zurück.

Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist der Klägerpartei Schadenersatz zu leisten, für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Touran (Fahrzeugidentifikationsnummer: ...) durch die Beklagtenpartei resultieren,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.059,10 EUR freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass das Fahrzeug nach dem Software-Update keine unzulässige Abschalteinrichtung mehr aufweise. Die behaupteten Beeinträchtigungen verschiedener Bauteile und drohende Langzeitschäden aufgrund des Software-Updates hätten sich in der Praxis nicht verwirklicht und die Lebensdauer sei nicht negativ beeinträchtigt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und es dabei dahinstehen lassen, ob die Feststellungsklage überhaupt zulässig sei. Jedenfalls sei die Klage unbegründet, da sich das Verhalten der Beklagten nach öffentlichem Eingeständnis der Beklagten im Jahr 2015 gegenüber dem Kläger nicht mehr als sittenwidrig darstelle. Der Kläger habe das Fahrzeug deutlich nach Bekanntwerden des Abgasskandals erworben. Allein das Thermofenster begründe keine Haftung aus § 826 BGB, da sich das Handeln der für die Beklagte tätig gewordenen Personen insoweit nicht als sittenwidr...

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