Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners bei Zusammenleben mit neuem Partner. Haushaltsersparnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Lebt der Unterhaltsschuldner mit einem neuen Partner zusammen, ist sein Selbstbehalt wegen Haushaltsersparnis zu kürzen, wenn und soweit der neue Partner leistungsfähig ist.
2. Bezieht der neue Partner des Unterhaltsschuldners Leistungen nach dem ALG II, ist er eingeschränkt grundsätzlich in der Lage, sich an den gemeinsamen Lebenshaltungskosten zu beteiligen. Der notwendige Selbstbehalt ist um 5 % zu kürzen.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2 S. 2; UVG § 7
Verfahrensgang
AG Strausberg (Urteil vom 15.03.2006; Aktenzeichen 2 F 1079/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG Strausberg vom 15.3.2006 unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, für die Kläger Kindesunterhalt i.H.v. monatlich jeweils 38 EUR für die Zeit vom 1.3. bis zum 30.6.2005 zu zahlen.
Die Unterhaltsbeträge sind an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises M. zu leisten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen den Klägern zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Kindesunterhalt ab November 2004.
Die drei minderjährigen Kläger, geboren im Februar 1994, März 1995 und November 1996, sind die Kinder der Beklagten aus ihrer früheren, im Jahr 2002 geschiedenen Ehe mit deren Vater. Die Kinder leben im Haushalt des Vaters, der arbeitslos ist. Sie gehen zur Schule.
Die im Mai 1971 geborene Beklagte besitzt den Schulabschluss der 8. Klasse und eine Berufsausbildung als Köchin. Sie ist wiederverheiratet und seit dem Jahr 2000 arbeitslos. Aus der neuen Ehe sind Ende Januar 2006 zwei Töchter hervorgegangen. Diese leben im Haushalt der Beklagten und ihres ebenfalls arbeitslosen Ehemannes in B.
Das AG hat der Beklagten wegen Verletzung ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit ein fiktives monatliches Nettoeinkommen von 850 EUR zugerechnet sowie ihren notwendigen, mit 775 EUR bis Juni 2005 bzw. 820 EUR ab Juli 2005 in Ansatz gebrachten Selbstbehalt wegen der neuen ehelichen Lebensgemeinschaft um 12,5 % reduziert. Sodann hat es den Klägern im Wege der Mangelfallberechnung für die einzelnen Zeitabschnitte ermittelte Unterhaltsbeträge i.H.v. monatlich zwischen 41,51 EUR und 57,33 EUR ab November 2004 zugesprochen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die zunächst uneingeschränkt eingelegte Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung der Kläger. Zur Begründung ihres vollständigen Klageabweisungsbegehrens hat die Beklagte geltend gemacht, ihr sei es trotz Bemühungen seit dem Jahr 2000 nicht gelungen, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Sie sei überdies wegen schwerwiegender chronischer Krankheiten dauerhaft erwerbsunfähig, insb. wegen einer Asthma- und Allergieerkrankung sowie Herzrhythmusstörungen und Diabetes. Ihr im Juli 2005 gestellter Rentenantrag sei bislang noch nicht beschieden worden. Zudem sei sie infolge der persönlich erforderlichen und aufwendigen Versorgung und Betreuung ihrer Zwillinge, bei denen es sich um Frühgeburten handele, zu einer Erwerbstätigkeit nicht in der Lage. Schließlich könne ihr unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse allenfalls ein fiktives Monatsnetto von 600 EUR zugerechnet werden.
Nach teilweiser Zurücknahme ihrer Berufung beantragt die Beklagte,
das Urteil des AG Strausberg vom 15.3.2006 zu Aktenzeichen 2 F 1079/04 dahin abzuändern, dass sie von November 2004 bis Februar 2005 sowie ab Juli 2005 keinen Kindesunterhalt und von März bis Juni 2005 keinen höheren Unterhaltsbetrag als monatlich 10 EUR je Kläger schulde und insoweit die Klage abzuweisen.
Nachdem sie ihre Anschlussberufung zurückgenommen haben, beantragen die Kläger, die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte den geschuldeten Unterhalt für die Zeit von März 2005 bis Dezember 2005 an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises M. zu leisten habe.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat überwiegend Erfolg. Abgesehen davon, dass den Klägern für die Zeit bis zur Rechtshängigkeit der Klage im Februar 2005 wegen des Bezugs von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz die Klagebefugnis fehlt, schuldet die Beklagte gem. §§ 1601 ff. BGB nur für März bis einschließlich Juni 2005 einen monatlichen Unterhalt von 38 EUR je Kind. Ab Juli 2005 benötigt sie infolge der Erhöhung des notwendigen Selbstbehalts das ihr fiktiv zuzurechnende Einkommen fast vollständig für ...