Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage eines Anspruchs auf Rückübertragung eines Miteigentumsanteils an einem bestellten Erbbaurecht unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei Unbebaubarkeit.

2. Zur Frage der Zulassung neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz gem. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 27.05.2003; Aktenzeichen 10 O 420/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Potsdam vom 27.5.2003 - 10 O 420/02 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Der Beklagte wird verurteilt, seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem im Grundbuch von ... des AG ... auf Bl. 7 in Abt. II unter Nr. 13 zu Lasten des auf denselbigen Bl. ... in Abt. I unter Nr. 26 des Bestandsverzeichnisses, Flur 1, Flurstück 464/2 verzeichneten Grundstücks eingetragenen Erbbaurechts auf die Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft zu übertragen und zu bewilligen, dass die vorgenannte Grundbucheintragung und die Eintragung im Erbbaugrundbuch von ... des AG ... Bl. 2959 in Abt. I unter 1a dahin berichtigt wird, dass der zu Gunsten des Beklagten eingetragene hälftige Anteil am Erbbaurecht zu Gunsten der Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft eingetragen und dass in Abt. II unter Nr. 3 für den Beklagten eingetragene Vorkaufsrecht gelöscht wird.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 25.000 Euro abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger verlangen von dem Beklagten die Zustimmung zur Rückübertragung des Miteigentumsanteils an einem bestellten Erbbaurecht an die Kläger und die Bewilligung der entsprechenden Grundbuchberichtigung in Abt. II des Grundbuchs von ... des AG ... Bl. 7 sowie im Erbbaugrundbuch von ... des AG ... Bl. 2959 sowie ferner die Löschung des zu Gunsten des Beklagten eingetragenen Vorkaufsrechts.

Die Kläger hatten mit notariellem Vertrag vom 25.9.1990, der Wirksamkeit am 4.10.1990 erlangte, dem Beklagten und einer ... Handelsgesellschaft mbH an ihrem Grundstück der Gemarkung ... Flur 1 Flurstück 464 ein Erbbaurecht bestellt. Es handelte sich um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück, über dessen Nutzung die Parteien angaben, dass die Umwidmung in eine Gewerbefläche von seitens der zuständigen Behörden geplant sei. Die Erbbauberechtigten beabsichtigten eine Bebauung der 78.500 m2 (richtig: 78.050 m2) großen Fläche mit Gewerbegebäuden. Gemäß Ziff. II Nr. 1 war ein Erbbauzins von jährlich 78.500 DM geschuldet. Unter dem 25.11.1993 erfolgte die Eintragung des Erbbaurechtes und des Vorkaufsrechtes in das Grundbuch.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen und den hierauf beruhenden Feststellungen des LG wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Das LG Potsdam hat mit Urteil vom 27.5.2003 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das wirksam entstandene Erbbaurecht sei nicht erloschen. Ein Erbbaurecht könne auch an Bauerwartungsland bestellt werden. Nur wenn ein dauerndes öffentlich-rechtliches Bauverbot bestehe, könne ein Erbbaurecht nicht wirksam entstehen und bestellt werden. Darum gehe es vorliegend aber nicht. Vielmehr hätten die Parteien ein Erbbaurecht an einem Grundstück mit einer zukünftigen Bebaubarkeit bestellt. Dies sei rechtlich möglich (BGH v. 12.6.1987 - V ZR 91/86, BGHZ 101, 143 [148] = MDR 1987, 923). Die Ungewissheit, ob sich diese Befugnis ein Bauwerk zu haben bauplanungsrechtlich erwartungsgemäß verwirklichen lasse, sei nicht gleichbedeutend mit der zur Zeit der Erbbaurechtsbestellung bereits auf Dauer feststehenden rechtlichen Unmöglichkeit baulicher Nutzung.

Auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage scheide derzeit aus. Nach der Rechtsprechung führe das eingetretene Risiko der Nichtbebauung bei Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages über Bauerwartungsland nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die Parteien hätten das erkennbare Risiko zu tragen, ob und wann sich ihre Erwartung künftiger Bebaubarkeit erfüllen werde. Dieser Grundsatz müsse auch dann gelten, wenn sich die Risiken verwirklichen, die der Verkäufer bzw. der Erbbauverpflichtete übernommen habe. Im Übrigen lägen die tatsächlichen Voraussetzungen für den Wegfall einer Geschäftsgrundlage nicht vor. Die Vergleichsverhandlungen vor der Kammer hätten belegt, dass beide Parteien von einer sich ändernden planungsrechtlichen Situation ausgingen, so dass für die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kein Raum sei. Auch stehe dem Verzicht auf den Erbbauzins wegen der derzeit nicht gegebenen gewerblichen Nutzung das Besitz- und Nutzungsrecht an dem Erbbaugrundstück zu Gunsten der Kläger gegenüber. Der Erbbaurechtsvertrag sei auch nicht sittenwidrig. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liege nicht vor. Dem Beklagten sei zwar formal ein Erbbaurecht ...

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