Leitsatz (amtlich)
1. Die Rückforderung eines Darlehens, das eine GmbH ihrem Minderheitsgesellschafter zur Finanzierung des Erwerbs seines Geschäftsanteils gewährt hat, kann gegen die Treuepflicht und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gesellschafter verstoßen, wenn der Minderheitsgesellschafter bei Erwerb des Geschäftsanteils davon ausgehen durfte, er werde den Kaufpreis aus Gewinnausschüttungen begleichen können, und wenn die Mehrheitsgesellschafter nach dem Eintritt des Minderheitsgesellschafters jahrelang Beschlüsse des Inhalts fassen, dass Gewinne nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert werden.
2. Über die Gewinnverwendung entscheidet zwar nicht die Gesellschaft, sondern ihre Gesellschafter. Gewinnverwendungsbeschlüsse sind jedoch als Rechtsakt der Gesellschaft dieser zuzurechnen. Die Gewinnverwendung hat nach unternehmerischem Ermessen zu erfolgen. Dabei ist das Thesaurierungsinteresse der Gesellschaft gegen das Ausschüttungsinteresse des Gesellschafters abzuwägen.
3. Eine Vollthesaurierung über sieben Jahre in einer das Stammkapital um mehr als das Doppelte übersteigenden Höhe belastet den Minderheitengesellschafter einseitig, wenn er nicht in anderer Weise Einkünfte aus und durch die GmbH erzielen kann, während zugunsten der Mehrheitsgesellschafter, die die Geschäftsführerpositionen besetzt haben, verdeckte Gewinnausschüttungen erfolgen.
Normenkette
BGB §§ 242, 488
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 02.11.2007; Aktenzeichen 1 O 83/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 2.11.2007 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Potsdam - 1 O 83/06 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten, ihren Gesellschafter, auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch, das in Höhe der Klageforderung noch valutiert.
Der Beklagte erwarb mit Vertrag vom 19.2.2002 Geschäftsanteile an der Klägerin bzw. nahm ein Angebot des vormaligen Gesellschafters Sch. auf Abtretung von Geschäftsanteilen an. Der übernommene Anteil am Stammkapital beträgt 119.300 DM (Nennwert) und stellt 4,99 % des Stammkapitals dar.
Der Kaufpreis betrug 378.972 EUR und sollte in 3 Raten von 126.324 EUR zum 31.3.2002, 31.3.2003 und 31.3.2004 gezahlt werden.
(Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 33 ff. d.A. Bezug genommen.)
Der Kaufpreisanspruch des Gesellschafters Sch. wurde durch eine Bürgschaft der Klägerin abgesichert.
Laut Vertrag vom 19.2.2002 in Verbindung mit dem Optionsangebot des vormaligen Gesellschafters Sch. sollte die Anteilsübernahme schuldrechtlich wirken ab 1.1.1999, in dinglicher Hinsicht erst nach Annahme der Option und Zahlung des Kaufpreises.
Das Stammkapital verteilt sich wie folgt auf die Gesellschafter:
N. 75,13 %
R. 9,99 %
Klägerin 9,89 %
Beklagter 4,99 %
Die Klägerin reichte an den Beklagten das streitgegenständliche Darlehen mit Vertrag vom 27.6.2002 (14.000 EUR), vom 28.1.2003 (Erhöhung auf 65.000 EUR) und vom 2.12.2004 (Erhöhung auf 80.000 EUR) aus. Die Verzinsung sollte 5,5 % betragen.
Der Beklagte nahm in den Jahren 2002, 2003 und 2004 bei der Landesbank B. Darlehen über jeweils 130.000 EUR auf.
Zur Sicherung dieser Verbindlichkeiten übernahm die Klägerin mit Erklärungen vom 27.2.2002, 17.3.2003 und 5.4.2004 Bürgschaften.
Die Klägerin kündigte das Darlehen mit Schreiben vom 5.8.2005 (Bl. 11 d.A.).
Der Beklagte war seit 1.11.1998 bei der Klägerin als Leiter der Buchhaltung tätig.
Mit Wirkung zum 1.3.2003 wurde er zum (weiteren) Geschäftsführer bestellt.
Ausweislich des Dienstvertrages (Bl. 73 ff. d.A.) sollte er ein Jahresgehalt von brutto 103.824 EUR erhalten sowie ab 2005 eine Tantieme in Höhe eines festgelegten Prozentsatzes nach im Einzelnen bestimmten Verrechnungen. Die prozentuale Höhe und auch die Fälligkeit der Tantieme sollten in einer gesonderten Urkunde festgelegt werden. Bei Ausscheiden als Geschäftsführer während des laufenden Geschäftsjahres sollte ein Anspruch auf zeitanteilige Tantieme entstehen, nicht aber, wenn der Vertrag im Zeitpunkt der Fälligkeit der Tantieme bereits gekündigt wäre.
Der Beklagte wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 24.5.2005 als Geschäftsführer abberufen. Nach den Bestimmungen des Dienstvertrages stellte der Widerruf der Geschäftsführerstellung die Kündigung des Dienstvertrages dar.
Gegen die Kündigung des Dienstvertrages strengte der Beklagte vor dem LG B. den Rechtsstreit 2 O 115/06 an. Der Prozess wurde von ihm nicht weiter betrieben.
Mit Beschluss vom 30.11.2005 (Bl. 78 ff. d.A.) beschlossen die Gesellschafter der Klägerin gegen die Stimme des Beklagten "den Gewinn aus 2004 auf neue Rechnung vorzutragen".
Diesen Beschluss griff der Beklagte vor...