Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch des Dienstherren gegen den Beamten wegen grob fahrlässiger Verletzung seiner Amtspflichten bei der Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel im Weg der Drittschadensliquidation
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein reiner Vermögensschaden Gegenstand einer Feststellungsklage, so hängt bereits die Zulässigkeit und nicht nur die Begründetheit der Klage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintrittes ab (vgl. BGH, 6.7.2004 - XI ZR 250/02 =BGHReport 2005, 78).(Rz. 21)
2. Hat der Beamte mehrere Ämter im Bereich verschiedener Dienstherren inne, so ist regressberechtigt gem. § 44 LBG jeweils der Dienstherr, dessen Aufgaben der Beamte im konkreten Fall wahrgenommen hat.(Rz. 35)
3. In den Fällen, in denen ein Beamter die ihm obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt und hierdurch einem anderen Dienstherrn als dem, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, einen Schaden zufügt, kann dieser den Beamten auf Leistung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation in Anspruch nehmen (vgl. BVerwG, 8.12.1994 - 2 B 101/94 =NJW 1995, 978).(Rz. 41)
4. Steht fest, dass der Beamte objektiv eine Dienstpflicht verletzt hat, trifft ihn nach dem auch im Beamtenrecht geltenden Rechtsgedanken des § 282 BGB a.F. (jetzt: § 280 Abs. 1 S. 2 BGB) die materielle Beweislast dafür, dass er die Dienstpflichtverletzung ohne ein für die Haftung ausreichendes Verschulden begangen hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Beamte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.(Rz. 67)
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2, § 839; StGB § 266 Abs. 1; ZPO § 148; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 23.08.2006; Aktenzeichen 6 O 476/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Potsdam vom 23.8.2006 - Az.: 6 O 476/05 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die darauf beruhen, dass der Beklagte zu 1. in seiner damaligen Eigenschaft als Amtsdirektor des Amts N. für die damalige Gemeinde G. die Anbindung des ... Weges an den Radfernwanderweg in einer Weise bauen ließ, die den Vorgaben in dem für das Bauvorhaben erlassenen Förderbescheid des Landkreises H. vom 29.4.2002 (Az.: GFG 2002 21/20/2002) nicht entsprach und das Vorhaben nicht mit den Organen der damaligen Gemeinde G. abstimmte.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte zu 1.
Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1. zu ½.
Die außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten des Beklagten zu 2. trägt die Klägerin.
Die außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 2. zu ½.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 75.000 EUR.
Tatbestand
I. Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der ehemals amtsangehörigen Gemeinde G. begehrt im Berufungsverfahren noch die Feststellung, dass der Beklagte zu 1. als ehemaliger Amtsdirektor des Amtes N. zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der der Gemeinde dadurch entsteht, dass der Zuwendungsbescheid über Fördermittel zum Ausbau eines Radweges vom 29.4.2002 (Az.: GFG 2002 21/20/2002) vom Landkreis H. mit Bescheid vom 17.7.2003 i.H.v. 93.846,43 EUR mit Wirkung ab dem 29.4.2002 widerrufen worden ist. Soweit die Klage gegen den Beklagten zu 2., B. R., als zuständigen Mitarbeiter im Baudezernat des Amtes abgewiesen worden ist, hat die Klägerin das Urteil des LG Potsdam mit der Berufung nicht angegriffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das LG auch die Klage gegen den Beklagten zu 1. als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB auf Schadensersatz bestehe dem Grunde nach nicht. Es könne dahinstehen, ob der objektive Tatbestand dieser Vorschrift erfüllt sei, jedenfalls fehle es an dem erforderlichen Vorsatz. Der Beklagte zu 1. habe nicht sicher damit rechnen müssen, dass wegen der geänderten Planung der Zuwendungsbescheid widerrufen werde. Soweit der Beklagte zu 1. weiter vortrage, er habe den Verwendungsnachweis vom 17.1.2003 unterzeichnet, ohne die darin enthaltenen Angaben auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, so könne dies nicht als reine Schutzbehauptung abgetan werden. Dem Beklagten zu 1. falle danach allenfalls grobe Fahrlässigkeit zur Last. Für die Geltendm...