Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensfehler. Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe der Vorinstanz
Orientierungssatz
In dem Verweis auf die Entscheidungsgründe der Vorinstanz liegt nur dann eine Verletzung rechtlichen Gehörs, wenn es neuen Vortrag rechtlicher oder tatsächlicher Art gibt, mit dem das LSG sich hätte auseinandersetzen müssen (vgl BSG vom 31.8.2000 - B 3 KR 11/98 R = BSGE 87, 95 = SozR 3-2500 § 35 Nr 1).
Normenkette
SGG §§ 62, 153 Abs. 2, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.04.2017; Aktenzeichen L 4 R 475/16) |
SG Speyer (Urteil vom 12.10.2016; Aktenzeichen S 1 R 741/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. April 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 25.4.2017 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensmängel.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung der Klägerin vom 12.7.2017 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil sie den allein geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnet sein. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus dargestellt werden, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).
Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 153 Abs 2 SGG. Das LSG habe zu Unrecht die Begründung des SG-Urteils vom 12.10.2016 übernommen. Das SG habe sich nicht mit ihrer bereits unter dem 11.7.2016 erfolgten Stellungnahme zu der Begutachtung des Dr. K. und ihrem Hinweis, dass sie "seit September 2016 durchgängig erwerbsunfähig erkrankt" gewesen sei, auseinandergesetzt. Dies gelte auch für das LSG, weil es sich "pauschal" auf die Entscheidungsgründe des SG bezogen habe.
Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin einen Verstoß des LSG gegen § 153 Abs 2 SGG nicht hinreichend bezeichnet. Nach § 153 Abs 2 SGG kann das LSG in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist. Die Bezugnahme kann dabei aber auch teilweise ("soweit") geschehen, wenn das LSG die Entscheidungsgründe des SG nur zu einzelnen Punkten übernehmen und im Übrigen eine ergänzende (eigene) Begründung vornehmen will (Littmann in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2017, § 153 RdNr 27; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 153 RdNr 7, jeweils mwN). In dem Verweis auf die Entscheidungsgründe der Vorinstanz liegt jedoch nur dann eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG), wenn es neuen Vortrag rechtlicher oder tatsächlicher Art gibt, mit dem das LSG sich hätte auseinandersetzen müssen (vgl BSG Urteil vom 31.8.2000 - B 3 KR 11/98 R - BSGE 87, 95, 100 = SozR 3-2500 § 35 Nr 1 S 6 mwN). Dies hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan.
Die Klägerin behauptet zwar, das SG habe sich nicht mit ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 11.7.2016 zum Gutachten des Dr. K. vom 5.6.2016 auseinandergesetzt. Zugleich trägt sie aber vor, das SG habe nach Eingang dieses Schriftsatzes eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. K. eingeholt und auch diese Stellungnahme vom 20.7.2016 seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Damit erschließt sich aus ihren Darlegungen in der Beschwerdebegründung aber nicht, worin eine Gehörsverletzung liegen soll. Insoweit gilt hier ebenso wie bei einem Verstoß gegen § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, dass das Gericht nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten bescheiden muss. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass der Prozessbeteiligte "gehört", nicht jedoch, dass er auch "erhört" wird (Senatsbeschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - Juris RdNr 9). Wenn aber nach einer Stellungnahme eines Beteiligten zu einem Sachverständigengutachten vom Gericht eine ergänzende Stellungnahme dieses Sachverständigen eingeholt und diese (auch) der Entscheidung zugrunde gelegt wird, ist regelmäßig zu vermuten, dass der Beteiligte vom Gericht hinreichend gehört wurde. Sollte dies nach Ansicht eines Beteiligten nicht der Fall sein, muss im Einzelnen aufgezeigt werden, welches Vorbringen unberücksichtigt geblieben ist. Allein die pauschale Behauptung der Klägerin, bereits das SG hätte zu dem Ergebnis gelangen müssen, die gutachterlichen Feststellungen des Dr. K. seien nicht stimmig und in sich widersprüchlich, reicht jedenfalls nicht.
Soweit die Klägerin schließlich meint, durch die Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG habe das Berufungsgericht auch ihren Hinweis nicht berücksichtigt, dass sie seit September 2016 durchgängig "erwerbsunfähig" erkrankt gewesen sei, hat sie nicht dargelegt, dass die Entscheidung des LSG auf dieser Gehörsverletzung beruhen kann. Insoweit fehlt es bereits an der Darstellung der hier allein maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG als Ausgangspunkt dafür, dass das Übergehen ihres Vorbringens zur "Arbeitsunfähigkeit" hätte entscheidungserheblich sein können. Soweit die Klägerin sich in ihrer Beschwerdebegründung mit dem "Beruhen" befasst, bezieht sich ihr Vorbringen ausschließlich auf die ihrer Ansicht nach fehlende "kritische Auseinandersetzung" mit ihren Einwendungen zum Sachverständigengutachten. Wäre die Vorinstanz auf diese eingegangen, wäre sie - so die Klägerin - zu dem Ergebnis gelangt, die gutachterlichen Feststellungen seien in sich nicht stimmig und widersprüchlich. Inwieweit dies auch für ihren Vortrag gilt, sie sei seit September 2016 "arbeitsunfähig" erkrankt, legt sie hingegen nicht dar. Soweit die Klägerin mit den Ausführungen und Bewertungen des Berufungsgerichts nicht einverstanden ist, wendet sie sich gegen dessen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Hierauf kann jedoch nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11261106 |