Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 17.04.2018; Aktenzeichen L 4 KR 155/15) |
SG Oldenburg (Entscheidung vom 14.04.2015; Aktenzeichen S 61 KR 327/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. April 2018 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Beitragsbemessung in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung. Auf der Grundlage des vom Kläger am 10.7.2014 vorgelegten Einkommensteuerbescheids für 2012 vom 15.11.2013 und der darin ausgewiesenen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit setzte die Beklagte die Beiträge für die Zeit ab 1.12.2013 neu fest (Bescheid vom 11.7.2014, Widerspruchsbescheid vom 19.9.2014). Die auf beitragsmindernde Berücksichtigung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7452 Euro gerichtete Klage hat das SG Oldenburg abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 14.4.2015). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen. Ein vertikaler Verlustausgleich sei nicht zulässig. Da ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG nicht ersichtlich sei, bestehe keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen (Beschluss vom 17.4.2018). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger misst der Frage nach "der 'Vermischung' einzelner Einkunftsarten und deren rechtlichen Abgrenzung" eine grundsätzliche Bedeutung bei. Damit ist schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
Selbst wenn eine Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Gemessen daran ist die Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan, denn der Kläger hat sich auch nicht mit der bereits im Berufungsurteil herangezogenen Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bei der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter auseinandergesetzt und insoweit keinen weiteren oder erneuten Klärungsbedarf dargelegt. Bereits 2006 hat das BSG entschieden, dass für die Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge freiwillig Versicherter ein Verlust bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weder von den beitragspflichtigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen noch von Versorgungsbezügen beitragsmindernd abzuziehen ist (BSG Urteil vom 9.8.2006 - B 12 KR 8/06 R - BSGE 97, 41 = SozR 4-2500 § 240 Nr 8) und Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung auch bei nicht hauptberuflich selbstständigen erwerbstätigen freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung der Beitragsbemessung in der Höhe zugrunde zu legen sind, die sich aus dem sie betreffenden Teil des Einkommensteuerbescheids ergibt (BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 21/11 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 19). In beiden Urteilen hat das BSG ausgeführt, dass freiwillig Versicherte die Möglichkeit eines sog horizontalen Verlustausgleichs innerhalb derselben Einkunftsart zur Verminderung der Beitragsbemessungsgrundlage und dadurch Gestaltungsmöglichkeiten haben, über welche Pflichtversicherte nicht verfügen, ihnen aber ein sog vertikaler Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkunftsarten nicht einzuräumen ist (BSG Urteil vom 23.2.1995 - 12 RK 66/93 - BSGE 76, 34 = SozR 3-2500 § 240 Nr 19).
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass der angefochtene Beschluss des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn der angefochtene Beschluss nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Mit der Beschwerde sind weder von dem angegriffenen Beschluss vermeintlich abweichende Entscheidungen des BSG bezeichnet noch sich widersprechende Rechtssätze aufgezeigt worden.
3. Einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, hat der Kläger nicht hinreichend bezeichnet.
a) Soweit der Kläger einen Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG darin erblickt, dass über eine Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG nicht der Berichterstatter, sondern nur der Senat des LSG hätte entscheiden dürfen, ist nicht dargelegt worden, inwieweit die Rechtsweggarantie die lediglich behauptete Alleinentscheidungskompetenz eines Senats gebieten soll.
b) Auch die Rüge des Klägers, das LSG habe seinen "Vortrag und die über II. Instanzen angebotenen Beweise bezüglich des Vorliegens eines Gewerbebetriebe durch eine (wie oben dargestellte und bewiesene) hotelmäßige Vermietung nicht beachtet" und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG) verletzt, ist nicht hinreichend aufgezeigt worden. Dieser Anspruch soll zwar ua sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden. Unabhängig davon, dass sich das LSG bei der Zuordnung der negativen Einkünfte auf die Angaben im Einkommensteuerbescheid gestützt hat, ist vom Prozessgericht jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten zu bescheiden. Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, deren Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 f). Solche Umstände gehen aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.
c) Soweit der Kläger auch eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) rügen sollte, kann eine Beschwerde auf diesen Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das Übergehen eines Beweisantrags ist aber nur dann ein Verfahrensfehler, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht. Insoweit ist darzulegen, dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte, in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass das LSG von sich aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; BSG Beschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 194/96 - SozR 3-1500 § 160 Nr 20 S 32 f). Dass ein Beweisantrag bis zuletzt gestellt worden sei, ist der Beschwerdebegründung aber nicht zu entnehmen. Diese Beschränkung der Amtsermittlungsrüge auf bis zuletzt für aufklärungsbedürftig erachtete Verfahren kann nicht über den Umweg über die Vorschriften zum rechtlichen Gehör umgangen werden (vgl BSG Beschluss vom 21.8.2008 - B 2 U 278/07 B - mwN).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12003762 |