Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bei der Frage des wesentlichen Zusammenhangs zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit

 

Orientierungssatz

Ein Versicherter erleidet bei einer versicherten Tätigkeit einen Unfall, wenn zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang besteht. Was konkret als "wesentlich" betriebsdienlich anzusehen ist, muß nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles beurteilt werden und ist deshalb nicht grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 1; RVO § 539 Abs 1 Nr 5

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 08.12.1987; Aktenzeichen L 5 U 42/87)

 

Gründe

Der Kläger hatte mit seinem Begehren, ihn wegen der Folgen eines am 17. Juli 1985 erlittenen Arbeitsunfalls zu entschädigen, in den Vorinstanzen Erfolg (Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 11. Februar 1987 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 8. Dezember 1987). Das LSG hat entschieden, der Kläger sei bei der unfallbringenden Tätigkeit nach § 539 Abs 1 Nr 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen, weil die Holzzerkleinerungsarbeiten in einem rechtlich wesentlichen (inneren) Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen seiner Ehefrau gestanden hätten. Hierzu sei es nicht erforderlich, daß das zersägte Holz der Menge nach überwiegend für landwirtschaftliche Zwecke bestimmt gewesen sei; es genüge, daß die Sägearbeiten, die hier eine gemischte Tätigkeit dargestellt hätten, dem landwirtschaftlichen Unternehmen wesentlich gedient hätten. Hier habe ein nicht unbeträchtlicher Teil des Brennholzes zum Kochen von Viehfutter gedient.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie macht geltend, es handele sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung. In einigen älteren Entscheidungen der Landessozialgerichte (vgl LSG Baden-Württemberg vom 22. Juni 1955, Breithaupt 1956, 254 ff und LSG Rheinland-Pfalz vom 19. Februar 1960, Breithaupt 1961, 513 ff) werde nämlich zum Brennholzschneiden in der Landwirtschaft die Auffassung vertreten, Unfallversicherungsschutz bestehe nur, wenn das Holz überwiegend landwirtschaftlichen Zwecken zu dienen bestimmt sei, während andererseits die Meinung existiere, es genüge, wenn das Brennholzschneiden wesentlich auch betrieblichen Interessen gedient habe. Angesichts dieser widersprüchlichen instanzgerichtlichen Rechtsprechung sei eine klärende höchstrichterliche Rechtsprechung wünschenswert.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Zu der aufgeworfenen Rechtsfrage hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet, die keiner weiteren Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung bedürfen. Danach erleidet ein Versicherter "bei" einer versicherten Tätigkeit einen Unfall, wenn zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit ein innerer Zusammenhang besteht; es muß ein rechtlich "wesentlicher" Zusammenhang mit ihr bestehen (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 480g I, 480k I, 480n II mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG). Dabei ist der Begriff "wesentlich" weder mit dem Begriff "überwiegend" noch mit den Begriffen "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" identisch (vgl Brackmann aaO, S 480k I unter Bezugnahme auf die unveröffentlichten Urteile des BSG vom 16. Dezember 1971 - 2 RU 145/71 - und vom 30. November 1972 - 2 RU 119/71 -). Nichts anderes gilt für die sogenannten gemischten Tätigkeiten, die sowohl privaten wie auch betrieblichen Interessen wesentlich dienen. Auch hier ist es nicht erforderlich, daß die Verrichtung den Interessen des Unternehmens überwiegend dient (vgl BSG-Urteil vom 22. August 1974 - 8 RU 288/73 -, DOK 1975, 395; Brackmann aaO, S 480r). Was dagegen konkret als "wesentlich" betriebsdienlich anzusehen ist, muß nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles beurteilt werden und ist deshalb nicht grundsätzlich bedeutsam iS von § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Unter diesem rechtlichen Aspekt sind auch die von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen der Landessozialgerichte zu sehen. Der Senat verkennt hierbei nicht, daß das LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 22. Juni 1955 (Breithaupt 1956, 254 ff) wörtlich ausgeführt hat, das Herrichten von Brennholz könne Versicherungsschutz nur begründen, wenn es "überwiegend" zum Viehfutterkochen bestimmt gewesen sei, und daß es im Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 19. Februar 1960 (Breithaupt 1961, 513 ff) heißt, der Bedarf an Holz zum Kochen des Viehfutters sei "nicht erheblich" gewesen, doch hat es sich auch in diesen Fällen letztlich nur um die im Rahmen der Wesentlichkeitsprüfung jeweils zu treffende, wertende Einzelfallentscheidung gehandelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647513

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge