Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 5. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger seit Juni 2011 in der gesetzlichen Krankenversicherung als Rentner versicherungspflichtig ist. Die Beklagte hatte die Durchführung einer Pflichtversicherung des Klägers mit der Begründung abgelehnt, dass seine Zeiten einer privaten Krankenversicherung als mitausreisender Ehemann einer Entwicklungshelferin als Vorversicherungszeit nicht berücksichtigt werden könnten. Klage und Berufung blieben erfolglos.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Hamburg vom 5.1.2017.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss des LSG Hamburg ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision - der Ausrichtung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entsprechend - nicht erreichen.
1. Der Kläger stützt sich in seiner Beschwerdebegründung vom 23.3.2017 allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Die Frage der Vereinbarkeit einer Norm des Verfassungsrechts kann ebenfalls die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen.
Der Kläger wirft auf S 3 der Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob eine gesetzlich vorgeschriebene private Gruppenversicherung im Rahmen des geleisteten Entwicklungsdienstes (insb. als mitausreisender Familienangehöriger) bzw. die Zeiten, in denen die Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung gesetzlich nicht möglich war, aufgrund von verfassungsrechtlichen Vorgaben, namentlich dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzip i.V.m. der gewollten Repräsentation des deutschen Staates im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und der Förderung der Menschenrechte, im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V als Vorversicherungszeiten berücksichtigungsfähig sind."
Zur Erläuterung bezieht er sich auf das vom LSG herangezogene Urteil des Senats vom 3.9.1998 (B 12 KR 21/97 R - SozR 3-2500 § 5 Nr 39), mit dem höchstrichterlich bereits geklärt sei, dass Zeiten einer privaten Krankenversicherung während des Entwicklungsdienstes für den Zugang zur Krankenversicherung der Rentner den Zeiten einer Pflichtversicherung nicht gleichständen (S 3 der Beschwerdebegründung). Der Kläger "bezweifelt" jedoch diese frühere Auslegung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V, weil das Urteil aus der Zeit vor der Entscheidung des BVerfG vom 15.3.2000 (1 BvL 16/96 ua, BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42) stamme und er - der Kläger - im Hinblick auf den Zeitraum seines Auslandsaufenthalts nicht zu der Personengruppe gehöre, für die später - mit Wirkung ab 12.8.1998 - durch Einfügen des Abs 4a in § 240 SGB V eine Art (beitragsrechtlicher) Anwartschaftsversicherung (vgl BT-Drucks 13/11021 S 11) eingeführt worden sei. Der Sache nach kritisiert er, dass der Gesetzgeber seinerzeit - unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und das Sozialstaatsprinzip - keine entsprechende Regelung für Altfälle (wie er einer sei) geschaffen habe. Hierbei könne es sich nicht um ein "bewußtes Schweigen" des Gesetzgebers handeln, vielmehr "dräng(e) sich der Gedanke auf", dass seinerzeit an die betroffenen Altfälle "nicht gedacht" worden sei; es sei "geradezu offensichtlich", dass dem Gesetzgeber die "Notwendigkeit einer Altfallregelung entgangen" sei (S 4 der Beschwerdebegründung). Der Kläger erstrebt letztlich eine "verfassungskonform(e) Auslegung und Anwendung" des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V (S 6 der Beschwerdebegründung).
Den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) legt der Kläger damit nicht in der gebotenen Weise dar. Er begründet nicht, warum die von ihm aufgeworfene (Rechts-)Frage höchstrichterlich klärungsbedürftig geblieben oder erneut klärungsbedürftig geworden sein soll. Der Kläger begründet nicht hinreichend, warum sich vorliegend die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der von ihm vorgeschlagenen Weise (S 7 der Beschwerdebegründung) ergeben soll. Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden; die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet jedenfalls dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte (BVerfG Beschluss vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 - BVerfGE 138, 64 RdNr 86). Insoweit fehlen erforderliche Ausführungen dazu, warum der Gesetzgeber - anders als es das BSG angenommen hat (dort RdNr 23 f) - die Notwendigkeit einer "nachgehenden Gleichstellung" von Entwicklungshelfern beim Zugang zur Krankenversicherung der Rentner übersehen haben soll (Prämisse). Der bloße Hinweis darauf, die Schaffung einer Regelung für Altfälle müsse dem Gesetzgeber ganz offensichtlich entgangen sein, reicht für sich allein nicht aus.
Ist die Annahme der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung nicht vertretbar, müsste der Senat das Verfahren aussetzen und § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V im Wege der Vorlage des Art 100 Abs 1 GG zur verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das BVerfG stellen. In einem solchen Fall hätte der Beschwerdeführer in der gebotenen Weise die einzelnen Schritte zu erläutern, die der Senat für eine Richtervorlage vornehmen muss, insbesondere darzulegen, warum der Senat unter den von ihm genannten Kautelen von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt sein soll. Daran fehlt es. Der alleinige Hinweis auf eine strukturelle Ungleichbehandlung mitausreisender Ehegatten von Entwicklungshelfern in der Zeit bis August 1998, weil diese zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung gesetzlich verpflichtet gewesen seien und "sich im Hinblick auf die Weltsolidarität hervorgetan" hätten (S 4 der Beschwerdebegründung), reicht für sich allein nicht aus. Will der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung des Gleichheitssatzes ableiten, muss er unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegen, worin er die für eine Gleich-/Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale erblickt und dass und warum der Gesetzgeber die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat.
Überdies legt der Kläger nicht in der gebotenen Weise dar, dass die aufgeworfene Frage in rechtlicher Hinsicht wenigstens in einer Mehrzahl weiterer Fälle relevant ist und damit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11351365 |