Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 2023 - L 8 SO 155/22 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Z, A, beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt verschiedene Feststellungen im Zusammenhang mit den vom Beklagten nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung und die Gewährung solcher Leistungen.
Die nach eigenen Angaben mittlerweile wohnsitzlose Klägerin bezog bis 30.4.2014 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Nach der Zwangsräumung ihrer Wohnung in S wurde die Klägerin am 21.2.2018 von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet. Eine neue Anschrift teilte sie weder dem Beklagten noch der Gemeinde S mit. Mit Schreiben vom 19.5.2021, in welchem sie erstmals eine postlagernde Adresse angab, beantragte die Klägerin beim Beklagten verschiedene Auskünfte zu den vom Beklagten anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung. Gegen das Antwortschreiben des Beklagten(Schreiben vom 15.6.2021) hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhoben. Sie hat beantragt, festzustellen, dass der Beklagte über kein schlüssiges Konzept verfüge und dass die vom Beklagten als angemessen festgelegte Mietobergrenze aufgrund eines fehlenden schlüssigen Konzepts unkorrekt ermittelt worden sei sowie den Beklagten zu verurteilen, ihr Kosten der Unterkunft auf der Grundlage der Wohngeldtabelle plus eines Sicherheitszuschlags von 10 Prozent zu gewähren. Das SG hat die Klage als unzulässig verworfen(Gerichtsbescheid des SG vom 28.4.2022) . Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mangels Angabe einer Wohnanschrift als unzulässig verworfen(Urteil des LSG vom 13.7.2023) .
Hiergegen wendet sich die Klägerin und beantragt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil.
II
PKH kann der Klägerin nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint( § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫) . Daran fehlt es hier.
Es bestehen Zweifel, ob die Angaben im PKH-Antrag ausreichend sind, obwohl die Klägerin keine Wohnanschrift mitteilt. Schon die Bedürftigkeit als Voraussetzung für die Bewilligung von PKH kann nicht abschließend geprüft werden, solange die Klägerin Angaben zu ihren Wohnverhältnissen verweigert und damit eine nachvollziehbare Darstellung dieses ganz erheblichen Teils der Lebenshaltungskosten fehlt(vgl bereits Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 13.4.2022 - B 8 SO 43/20 B - RdNr 5) . Im Übrigen müssen Rechtsschutzgesuche an ein deutsches Gericht im Regelfall die Wohnanschrift des Rechtsuchenden benennen. Nur im Ausnahmefall ist mit Rücksicht auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes die fehlende Angabe einer Anschrift unschädlich, wenn der Rechtsschutzsuchende glaubhaft über eine solche Anschrift nicht verfügt, etwa weil er wohnungs- oder obdachlos ist(vgl nurBSG vom 26.9.2023 - B 5 R 21/23 BH - RdNr 6 mwN) . Entscheidend für die Beurteilung, ob Wohnungslosigkeit vorliegt und also die aus Gründen der Rechtssicherheit vorzugswürdige Kommunikation mit dem Gericht über eine Wohnanschrift ausscheidet(vgl dazuBSG vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr 1 RdNr 6 ff) , sind nähere Angaben zum konkreten Aufenthaltsort; auf die Frage nach der Erfüllung melderechtlicher Pflichten kommt es insoweit - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht an. Wohnungslosigkeit behauptet die Klägerin aber nur, ohne im Einzelnen Angaben zu machen, die diese Behauptung nachvollziehbar werden lassen und ggf Ansatzpunkte für eine eigene Überprüfung durch das Gericht bieten könnten.
Hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision liegt jedenfalls nicht vor. Eine solche Erfolgsaussicht wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten(§ 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) . Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine solche Rechtsfrage stellt sich hier weder wegen der Frage, ob die Klagen zulässig sind, noch wegen der Frage, ob die Klägerin wohnungslos ist. Deshalb ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.
Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Es ist nicht erkennbar, dass das LSG verfahrensfehlerhaft ein Prozess- statt eines Sachurteils erlassen hat. Die Klagen waren unabhängig von der Frage unzulässig, ob die Klägerin im Einzelfall (etwa wegen Wohnungs- oder Obdachlosigkeit) zur Angabe einer Wohnanschrift verpflichtet war. Für die erhobenen Feststellungsklagen fehlt es bereits an einem berechtigten Interesse an den Feststellungen, weil schon kein konkretes Wohnungsangebot über eine zu beziehende Wohnung vorlag. Das SGB XII sieht in§ 35 Abs 2 Satz 3 bis 6 SGB XII(nunmehr§ 35a Abs 2 SGB XII in der seit dem 1.1.2023 geltenden Fassung) ein Zustimmungsverfahren vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft vor, das dem Leistungsberechtigten Klarheit über angemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung verschaffen soll. Für die Klärung abstrakter Fragen in diesem Zusammenhang besteht aber kein Feststellungsinteresse. Ein Fall einer zulässigen Normenkontrolle nach § 55a SGG liegt nicht vor. Die Verpflichtungsklage ist mangels vorangegangenem Verwaltungsverfahrens unzulässig.
Es ist auch nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter mit Erfolg eine Verletzung rechtlichen Gehörs( Art 103 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫;§ 62 SGG ) rügen könnte; denn die Klägerin hatte Gelegenheit, sich in der mündlichen Verhandlung ausreichend rechtliches Gehör zu verschaffen. Sie war ordnungsgemäß geladen und ihr Antrag auf Vorauszahlung der Reisekosten zum Verhandlungsort wurde vom LSG eine Woche vor der mündlichen Verhandlung und damit rechtzeitig positiv beschieden. Der Umstand, dass die Klägerin dieses Schreiben nach eigenen Angaben erst einen Tag vor dem Termin erhalten hat, liegt in ihrer Sphäre (der Postlagerung). Das LSG durfte in Abwesenheit der Klägerin aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da die Klägerin ordnungsgemäß in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war. Dies gilt trotz ursprünglicher Anordnung des persönlichen Erscheinens. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens steht im Ermessen des Vorsitzenden(Stäbler in jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 111 RdNr 9, Stand: 24.6.2022; Roller in Berchtold, SGG, 6. Aufl 2021, § 111 RdNr 6) . Erscheint der Beteiligte nicht, prüft das Gericht, ob die Sache auch ohne seine Anwesenheit entscheidungsreif ist. Eine solche ausdrückliche Entscheidung hat das LSG hier mit der Aufhebung des persönlichen Erscheinens getroffen(zum GanzenBSG vom 31.1.2008 - B 2 U 311/07 B - RdNr 4 f) ; es ist auch nicht erkennbar, welches weitere Vorbringen gerade die Anwesenheit der Klägerin persönlich erforderlich gemacht haben sollte. Die Klägerin war durch ihren von ihr bevollmächtigten Bruder im Termin ordnungsgemäß vertreten. Dieser hat aber weder den Willen der Klägerin, persönlich am Termin teilnehmen zu wollen, geltend gemacht noch die Nichtteilnahme entschuldigt. Einen Vertagungsantrag hat er nicht gestellt. Auch im Übrigen lässt der Gang der Verhandlung nicht erkennen, dass keine ausreichende Gelegenheit bestand, sich Gehör zu verschaffen. Insbesondere hat das LSG die erforderliche Wartezeit bei Nichterscheinen eines Klägers von wenigstens 15 Minuten eingehalten(vgl nurBSG vom 31.3.2004 - B 4 RA 126/03 B - RdNr 8 ) . Der Rechtsstreit war auf 12:00 Uhr terminiert und ausweislich des Sitzungsprotokolls begann die Verhandlung erst um 12:22 Uhr. Ohnehin ist nicht erkennbar, dass nach Erscheinen des Vertreters die Sach- und Rechtslage mit ihm nicht ausreichend erörtert worden ist.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 121 Abs 1 ZPO ) .
Fundstellen
Dokument-Index HI16326959 |