Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung

 

Orientierungssatz

Zu den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob im Rahmen des § 52 SGB 1 die §§ 407 bzw 406 BGB analog anwendbar sind.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2 S 3; SGB 1 § 52; BGB §§ 406-407

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 05.07.1988; Aktenzeichen L 13 An 94/86)

 

Gründe

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Juli 1988 ist unzulässig.

Auf die Beschwerde ist die Revision nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil des LSG von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GemSOGB) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, wobei der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 SGG). In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Diesen Formerfordernissen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger nicht.

Nach ihrer Meinung ist von grundsätzlicher Bedeutung die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Frage, ob im Rahmen des § 52 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch, Allgemeiner Teil, vom 11. Dezember 1975 (BGBl I S 3015; = SGB 1) die §§ 407 bzw 406 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) analog anwendbar seien. Mit diesem Vorbringen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt worden. Eine solche Bedeutung hat eine Rechtssache nicht schon dann, wenn die nach Meinung des Beschwerdeführers grundsätzliche Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Hinzukommen muß ihre Klärungsfähigkeit. Das Revisionsgericht muß nach und aufgrund einer Zulassung der Revision in der Lage sein, über die klärungsbedürftige Rechtsfrage auch sachlich entscheiden zu können, weil nur unter dieser Voraussetzung die angestrebte Entscheidung geeignet ist, bezüglich der klärungsbedürftigen Rechtsfrage die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 53 S 55). Eine iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG formgerechte Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache umfaßt gleichermaßen die Pflicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit wie auch der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage.

Zu letzterer ist dem Beschwerdevorbringen der Kläger nichts zu entnehmen. Das LSG hat zu dem von den Klägern zu 2) und 3) erhobenen Anspruch auf vorrangige Befriedigung aus dem pfändbaren Teil des Renteneinkommens des Klägers zu 1) ausgeführt, die im April 1974 und im Januar 1975 erfolgten Abtretungen seien mangels Genehmigung durch das zuständige Versicherungsamt bis heute nicht wirksam. Davon, daß in der Zeit nach dem Außerkrafttreten des § 119 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und seiner Ersetzung durch § 53 SGB 1 ab 1. Januar 1976 die Abtretungen mündlich neu vorgenommen worden seien, vermöge es (das LSG) sich nicht zu überzeugen. Aber selbst wenn eine mündliche Neuvornahme der Abtretungen im Januar 1976 unterstellt werde, habe die Beklagte diese Abtretungen nicht vorrangig zu bedienen brauchen, weil dann die Kläger zu 2) und 3) in sinngemäßer Anwendung des § 407 BGB die Verrechnung zugunsten der Beigeladenen zu 1) gegen sich gelten lassen müßten, wobei offen bleiben könne, ob man zu diesem Ergebnis auch über § 406 BGB kommen könne.

Demnach hat das LSG die Frage einer analogen Anwendbarkeit des § 406 BGB im Rahmen des § 52 SGB 1 ausdrücklich unentschieden gelassen, so daß schon deswegen nicht ersichtlich ist, daß über diese Frage nach und aufgrund einer Zulassung der Revision höchstrichterlich entschieden werden könnte. Eine sinngemäße Anwendbarkeit des § 407 BGB hat das LSG nur hilfsweise für den Fall erörtert, daß entgegen der vorausgegangenen Haupterwägung (keine Neuvornahme der Abtretungen in der Zeit ab 1. Januar 1976) eine mündliche Neuvornahme der Abtretungen im Januar 1976 unterstellt werde. Bezüglich der Haupterwägung sind Gründe für eine Zulassung der Revision nicht vorgebracht worden, so daß von ihr bei der Entscheidung über die Zulassung der Revision auszugehen ist. Dann aber ist nicht erkennbar, daß nach und aufgrund einer Zulassung der Revision über die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 407 BGB im Rahmen des § 52 SGB 1 entschieden werden dürfte und müßte.

Soweit die Kläger wiederholt (vgl S 2, 3, 4 und 5 der Beschwerdebegründung vom 28. Oktober 1988) Abweichungen des Urteils des LSG von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) rügen, kann auf eine derartige Rüge die Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht gestützt werden. Zulässigerweise kann allein eine Abweichung des Urteils des LSG von Entscheidungen des BSG oder des GemSOGB geltend gemacht werden (vgl § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Insofern reicht es für die nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderliche "Bezeichnung" der Divergenz nicht aus, daß der Beschwerdeführer auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung des BSG mit der Behauptung hinweist, das angegriffene Urteil des LSG weiche hiervon ab. Abweichen kann das Tatsachengericht allein von bestimmten Aussagen einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, so daß der Beschwerdeführer notwendigerweise auch darzulegen hat, mit welcher konkreten, hiermit unvereinbaren Aussage das angefochtene Urteil hiervon abgewichen ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 29 S 33). Dieser Darlegungslast sind die Kläger, soweit sie einen Verstoß des Urteils des LSG gegen dasjenige des BSG vom 25. Mai 1972 - 5 RKn 24/71 - (BSG SozR Nr 5 zu § 119 RVO) geltend gemacht haben, nicht nachgekommen. Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, von welcher konkreten rechtlichen Aussage im Urteil des BSG vom 25. Mai 1972 (aaO) das LSG abgewichen sein soll.

Als Grund für eine Zulassung der Revision führen die Kläger schließlich an, das LSG habe unter Verstoß gegen seine Amtsaufklärungspflicht (§ 103 SGG) und unter Verletzung ihres (der Kläger) Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-) ihrem im Schriftsatz vom 22. April 1985 gestellten Antrag auf Parteivernehmung nicht entsprochen. Insofern zeigt die Beschwerdebegründung jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür auf, daß das LSG diesem Beweisantrag "ohne hinreichende Begründung" (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG), dh ohne einen Grund, der hinreichend für die Annahme ist, daß das LSG sich nicht hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 S 6), nicht gefolgt ist. Die Beschwerdebegründung geht weder darauf ein, daß der Schriftsatz vom 22. April 1985 nicht an das LSG, sondern bereits während der Anhängigkeit des Rechtsstreits in erster Instanz an das Sozialgericht Detmold gerichtet worden ist, noch darauf, daß in Verfahren vor den Tatsachengerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine Parteivernehmung nicht zulässig ist (vgl BSG SozR Nr 1 zu § 445 ZPO).

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach alledem mangels formgerechter Darlegung eines Zulassungsgrundes unzulässig und in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660675

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