Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 2. September 1997 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beschwerdeführerin (Beklagte) wendet sich gegen ihre Verurteilung, unter Rücknahme eines DDR-Rentenbescheides weitere ca dreieinhalb Jahre als Zeit einer versicherungspflichtigen Tätigkeit der Rentenberechnung zugrunde zu legen.
Die Klägerin befand sich bei Vollendung ihres 60. Lebensjahres im April 1981 in einer – als versicherungspflichtige Tätigkeit anzurechnenden – Strafhaft, aus der sie erst am 15. November 1984 entlassen wurde. Bei der Berechnung der ihr ab 1. November 1984 bewilligten Altersrente und Zusatzaltersrente aus der freiwilligen Zusatzrentenversicherung wurden jedoch Zeiten einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nur bis einschließlich März 1981 zugrunde gelegt. Entsprechend wertete die Beklagte mit Bescheid vom 28. November 1991 die Rente um, die künftig als Regelaltersrente geleistet wurde.
Im Jahre 1995 bat die Klägerin um Überprüfung; ihre Rente habe erst nach Haftentlassung begonnen, die versicherungspflichtige Tätigkeit von Mai 1981 bis Oktober 1984 sei nicht berücksichtigt worden. Die Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 1995 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1995) hatte vor dem Sozialgericht (SG) keinen Erfolg (Urteil des SG Cottbus vom 27. November 1996). Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Brandenburg hat – unter Abänderung des SG-Urteils sowie der angefochtenen Bescheide – die Beklagte verpflichtet,
„den Bescheid vom 4. Dezember 1984 der staatlichen Versicherung – Sozialversicherung über die Gewährung einer Altersrente zurückzunehmen und die Zeit von April 1981 bis Oktober 1984 als Zeit einer versicherungspflichtigen Tätigkeit der Rentenberechnung zugrunde zu legen.”
Zur Begründung führt es aus, daß nach DDR-Recht die Zeit des Arbeitseinsatzes im Strafvollzug von April 1981 bis Oktober 1984 als versicherungspflichtige Tätigkeit hätte angerechnet werden müssen. Denn die Beitragsfreiheit zur Rentenversicherung ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres habe vorausgesetzt, daß der Werktätige eine Altersrente der Sozialversicherung erhalten habe. Dies sei bei der Klägerin während der Zeit ihrer Strafhaft jedoch nicht der Fall gewesen. Die Beklagte habe als nach § 44 Abs 3 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) iVm Art 19 Satz 3 Einigungsvertrag zuständige Behörde den Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ein Nachzahlungsanspruch komme jedoch nach der besonderen Vorschrift des § 300 Abs 3b Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) erst ab dem 1. Januar 1992 in Betracht.
Die Beschwerdeführerin macht als Zulassungsgrund Verfahrensmängel geltend: Das angefochtene Berufungsurteil beruhe auf einer Verletzung des § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG): Das Berufungsgericht hätte auch über die Rechtmäßigkeit des Umwertungs- und Anpassungsbescheides vom 28. November 1991 entscheiden müssen. Weil dies nicht geschehen sei, habe es über die von der Klägerin erhobenen Ansprüche nicht in vollem Umfang entschieden. Ein weiterer Verfahrensmangel liege im Verstoß gegen § 136 Abs 1 Nr 4 SGG. Die Urteilsformel enthalte weder eine unmittelbare Entscheidung über eine Zahlungspflicht noch über den Zeitpunkt des Beginns einer solchen; ebensowenig gehe aus ihr hervor, ob sich eine Verpflichtung zur Zahlung auf die mit Bescheid von Dezember 1984 gewährte Altersrente beziehe oder auf die mit Bescheid vom 28. November 1991 geleistete Regelaltersrente. Es ergebe sich nur aus den Entscheidungsgründen, welche Leistung das Gericht ab welchem Zeitpunkt habe zuerkennen wollen. Deshalb sei nicht erkennbar, daß alle Richter des erkennenden Senats des Berufungsgerichts tatsächlich an der vollständigen Entscheidungsfindung beteiligt gewesen seien.
Die Beschwerdegegnerin (Klägerin) sieht im angefochtenen Urteil keinen Verfahrensverstoß.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen.
Bereits aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin ergibt sich, daß die von ihr gerügten Verfahrensfehler von vornherein nicht zur Zulassung der von ihr beabsichtigten Revision führen können.
Mit der angeblichen Verletzung des § 123 SGG „Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein”) macht die Beschwerdeführerin im Ergebnis geltend, das Berufungsurteil bleibe hinter dem klägerischen Antrag zurück. In dieser Bedeutung enthält § 123 SGG jedoch lediglich eine Schutzvorschrift zugunsten der Klägerin. Ist das Gericht Anträgen eines Verfahrensbeteiligten (zB Beweisanträgen, Anträgen auf Vertagung, Anträgen auf Akteneinsicht) nicht gefolgt, so kann hierin nur ein vom Betroffenen rügbarer Verfahrensmangel gesehen werden.
Entsprechendes gilt auch hier. Die Beklagte kann durch ihre Verurteilung in einem geringeren Umfang, als von der Klägerin begehrt, von vornherein nicht in ihren Rechten beeinträchtigt sein. Insoweit fehlt ihre Beschwer: Eine Zulassung wegen Verfahrensmangels scheidet aus, wenn der Mangel den Beschwerdeführer nicht berührt (Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, RdNr 197).
Die Beschwerde ist auch insoweit unzulässig, als sie sich auf einen Verstoß gegen § 136 Abs 1 Nr 4 SGG „Das Urteil enthält …4. die Urteilsformel, …”) bezieht.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß die Urteilsformel durch Heranziehung des sonstigen Urteilsinhalts, insbesondere der Entscheidungsgründe auszulegen ist, wenn sie zu Zweifeln über ihren Inhalt Anlaß gibt (zB BSG vom 1. März 1993, 11/9b BAr 7/92; BSG vom 13. August 1986 – 7 RAr 42/85, RV 1987, 14; BSG vom 9. Februar 1978 – 9 RV 28/77, USK 7826, BSG vom 7. November 1957, BSGE 6, 97, 98 f; Senatsurteil vom 22. November 1956, BSGE 4, 121, 123 f). Die Beschwerdeführerin stellt auch nicht in Abrede, daß in dieser Zusammenschau der Umfang ihrer Verpflichtung aus dem LSG-Urteil hinreichend deutlich wird. Sie trägt jedoch – konkludent – Zweifel daran vor, daß die ehrenamtlichen Richter an der näheren Bestimmung, ab welchem Zeitpunkt der Klägerin welche Leistung zustehe, mitgewirkt hätten. Damit rügt sie inhaltlich einen Verstoß gegen den auch von ihr erwähnten § 33 Satz 1 SGG „Jeder ≪LSG-≫Senat wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig”). Hiermit macht sie jedoch wiederum einen Verfahrensmangel geltend, der allenfalls von der Beschwerdegegnerin rügbar wäre. Denn nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin engen die Entscheidungsgründe den (zu) weit gefaßten zusprechenden Urteilstenor des LSG allenfalls ein und erweitern ihn nicht. Sie wirken sich damit allenfalls zuungunsten der Beschwerdegegnerin, nicht jedoch der Beschwerdeführerin, aus. In dem beabsichtigten Revisionsverfahren müßte wiederum berücksichtigt werden, daß die Beklagte auch insoweit nicht beschwert ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen