Verfahrensgang
SG für das Saarland (Entscheidung vom 20.08.2020; Aktenzeichen S 15 KR 203/20) |
LSG für das Saarland (Urteil vom 10.03.2021; Aktenzeichen L 2 KR 51/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 10. März 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin, die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert ist, beantragte bei dieser die Übernahme der Kosten für drei ambulant durchgeführte Liposuktionen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Im Widerspruchsverfahren ließ die Klägerin zwei der drei, nach Erlass des Widerspruchsbescheids die dritte Liposuktionsbehandlung durchführen. Mit ihrer Klage auf Erstattung der hierfür angefallenen Kosten (19 822,48 Euro) ist sie in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ein Anspruch auf die Durchführung einer Liposuktionsbehandlung habe weder als Sachleistung noch im Wege der Kostenfreistellung bestanden. Dies gelte sowohl für die ambulante als auch die stationäre Durchführung. Ambulante Liposuktionen gehörten nicht zum regulären Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Eine stationäre Durchführung der Liposuktionen sei aber nicht erforderlich gewesen und auch nicht erfolgt. Eine Durchführung der Liposuktionen im Rahmen der mittlerweile eingeleiteten Erprobung habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte für ein Systemversagen oder die Annahme eines Seltenheitsfalls bestünden nicht (Urteil vom 10.3.2021).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der hier geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG; dazu 1.) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG; dazu 2.).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert schon keine Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen, an denen das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen einer Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - BeckRS 2016, 68283 RdNr 6). Sie führt lediglich aus, "insbesondere hat das LSG seine Entscheidung gestützt auf die S1-Leitlinie. Bis dato ist hierüber noch nicht entschieden worden."
Selbst wenn man ihrem weiteren Vorbringen eine hinreichend konkrete Frage dahingehend entnehmen wollte, ob die S1-Leitlinie 037-012 mit der Verfassung im Einklang steht, trägt die Klägerin nichts zu deren Klärungsbedürftigkeit vor. Sie setzt sich weder mit der Frage gerichtlicher Überprüfbarkeit von Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften auseinander noch legt sie dar, woraus sich eine etwaige "Verfassungswidrigkeit" ergeben soll. Auch mit der Rechtsprechung des BSG zur Bedeutung von Leitlinien für den Umfang der Leistungsansprüche der Versicherten der GKV setzt sie sich nicht auseinander (vgl etwa BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - BSGE 109, 211 ff = Sozr 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 19). Allein der Verweis darauf, bisher sei darüber noch nicht entschieden worden, genügt insoweit ebenso wenig wie der pauschale Verweis auf ihr Vorbringen in erster und zweiter Instanz.
2. Auch der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung rechtlichen Gehörs ist nicht dargelegt. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist eine Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN). Hieran richtet die Klägerin ihr Vorbringen nicht aus.
Für die Darlegung einer Gehörsrüge (Art 103 GG, § 62 SGG) müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich gemacht werden, dass das tatsächliche Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden sei (stRspr; vgl zB BVerfG vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293, 295 ff = SozR 1100 Art 103 Nr 5 S 3 f; BSG vom 15.4.2019 - B 13 R 233/17 B - juris RdNr 18). Mit ihrem Vortrag, die untersuchende Ärztin des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung hätte unbedingt als Zeugin gehört werden müssen, legt sie nicht dar, gar nicht gehört worden zu sein. Sie macht der Sache nach vielmehr eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) geltend. Die Anforderungen an die Sachaufklärungsrüge (dazu sogleich) können jedoch nicht durch ein Ausweichen auf die Gehörsrüge umgangen werden (vgl BSG vom 14.4.2009 - B 5 R 206/08 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 6), weil anderenfalls die Beschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG im Ergebnis ins Leere liefen.
Die Anforderungen an die Sachaufklärungsrüge erfüllt die Klägerin ebenfalls nicht. Sie legt schon nicht dar, dass sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung einen konkreten Beweisantrag gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten habe (vgl zu den Anforderungen BSG vom 13.2.2020 - B 1 KR 98/18 B - juris RdNr 10; BSG vom 2.10.2019 - B 12 KR 42/19 B - juris RdNr 3; BSG vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - juris RdNr 5; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 11 = juris RdNr 5).
Soweit die Klägerin darauf hinweist, das LSG hätte fälschlicherweise die S1-Leitlinie 037-012 nicht dem BVerfG im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vorlegt, kann dies als sinngemäße Rüge der Verletzung des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) verstanden werden. Die Klägerin setzt sich jedoch weder mit der Rechtsprechung des BVerfG zu Verstößen gegen Vorlagepflichten auseinander (vgl zB BVerfG vom 15.12.1999 - 1 BvR 1904/95 ua - BVerfGE 101, 331, 359 f) noch damit, ob eine Leitlinie überhaupt nach Art 100 GG vorgelegt werden kann.
Im Ergebnis wendet sich die Klägerin letztlich nur gegen die Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl BSG vom 17.7.2020 - B 1 KR 34/19 B - juris RdNr 6 mwN).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14755126 |