Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nach § 104 SGB 10

 

Orientierungssatz

Der Senat hält an seiner in den Urteilen vom 14.11.1984 - 1/4 RJ 57/84 = BSGE 57, 218 = SozR 1300 § 104 Nr 3 und vom 30.1.1985 - 1/4 RJ 107/83 = SozR 1300 § 104 Nr 4 vertretenen Rechtsauffassung, wonach § 104 SGB 10 den Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers auf Erstattung erbrachter Sozialleistungen insoweit ausschließt, als dieser aufgrund früherer wirksamer Abtretung des Leistungsanspruchs an einen Dritten zu leisten verpflichtet ist, fest.

 

Normenkette

SGB 10 § 104 Abs 1 S 1, § 104 Abs 3, § 107 Abs 1; SGB 1 § 53 Abs 3; BGB §§ 400, 404; SGB 1 § 53 Abs 2, § 54 Abs 3 Nr 2

 

Gründe

Der beschließende Senat hält nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe an seiner in den Urteilen vom 14. November 1984 (BSGE 57, 218 = SozR 1300 § 104 Nr 3) und vom 30. Januar 1985 (BSG SozR aaO Nr 4) vertretenen Rechtsauffassung fest.

Dem anfragenden Senat ist darin zu folgen, daß sich der Umfang des Erstattungsanspruchs des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers gemäß § 104 Abs 3 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch, Zusammenarbeit der Leistungsträger ..., vom 4. November 1982 (BGBl I S 1450; = SGB 10) nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften richtet und zu diesen Rechtsvorschriften neben §§ 102 ff SGB 10 und § 53 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch, Allgemeiner Teil, vom 11. Dezember 1975 (BGBl I S 3015; = SGB 1) auch §§ 398 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) betreffend die Übertragung der Forderung zählen. Das stimmt mit der Auffassung des beschließenden Senats überein, daß ungeachtet des Rechtscharakters des Abtretungsvertrages zwischen dem Rentenberechtigten und dem begünstigen Dritten für die Übertragung nach § 53 Abs 3 SGB 1 die zivilrechtlichen Vorschriften der Forderungsübertragung nach §§ 398 ff BGB jedenfalls entsprechend gelten, soweit nicht Sondervorschriften bestehen (BSGE 57, 218, 221 = SozR 1300 § 104 Nr 3 S 5; BSG SozR aaO Nr 4 S 9).

Die entsprechende Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Vorschriften über die Forderungsübertragung schließt - auch insoweit ist dem anfragenden Senat beizupflichten - § 404 BGB ein, wonach der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Die daraus vom anfragenden Senat gezogene Folgerung, der beklagte Rentenversicherungsträger könne gegenüber der Kundenkreditbank einwenden, beim Entstehen der voraus abgetretenen Rentenansprüche habe der Träger der Sozialhilfe mit seinem Erstattungsanspruch Vorrang vor der Rentenabtretung gehabt, es habe außerdem die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB 10 eingegriffen, und schließlich könne das Prioritätsprinzip nicht immer uneingeschränkt angewendet werden, wird indes vom beschließenden Senat nicht geteilt.

Zunächst kommt es nicht darauf an, ob und ggf welche Einwendungen der Schuldner dem neuen Gläubiger entgegensetzen   k a n n . Ausschlaggebend für den Anspruch des neuen Gläubigers ist, ob ihm der Schuldner begründete Einwendungen gegen die Forderung des bisherigen Gläubigers entgegengesetzt   h a t . § 404 BGB zwingt den Schuldner nicht zur Erhebung etwaiger Einwendungen gegenüber dem neuen Gläubiger und läßt auch nicht eine Berücksichtigung derartiger Einwendungen gewissermaßen "von Amts wegen" zu. § 404 BGB ist nachgiebiges und abdingbares Recht. Der Schuldner kann durch vertragliche Vereinbarung mit dem Zedenten oder dem Zessionar auf die Erhebung von Einwendungen verzichten (Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 47. Aufl 1988, § 404, Anm 4; Erman-Westermann, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl 1981, § 404, Rdn 6; RGRK-Weber, 12. Aufl 1976, § 404, Rdn 28). Auch ohne eine solche vertragliche Vereinbarung begründet § 404 BGB lediglich eine Einrede (Erman-Westermann, aaO, Rdn 3) und damit allein ein Recht zur Leistungsverweigerung, bei dessen Nichtausübung der Schuldner nach Erfüllung der Forderung nicht unter nachträglicher Erhebung von Einwendungen vom Zessionar unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung oder des Schadensersatzes die Rückforderung des Geleisteten verlangen kann (BGH NJW 1963, 1869, 1870).

In den durch die Urteile des beschließenden Senats vom 14. November 1984 und 30. Januar 1985 (aaO) entschiedenen Fällen hat der beklagte Rentenversicherungsträger dem neuen Gläubiger (Kundenkreditbank) Einreden aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis mit dem bisherigen Gläubiger (Versicherten) nicht entgegengehalten. Er hat im Gegenteil an den Zessionar nicht nur tatsächlich gezahlt, sondern gegenüber dem Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers ausdrücklich seine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung des die Pfändungsfreigrenze übersteigenden Betrages der Rente an den Zessionar betont und damit durch konkludentes Handeln zum Ausdruck gebracht, daß er nach § 404 BGB mögliche Einwendungen gerade nicht erheben wolle. Dieselbe Fallkonstellation ist in dem beim anfragenden Senat anhängig gewesenen Rechtsstreit gegeben. Dann aber wird dort in erster Linie zu erwägen sein, ob der noch streitige Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers nicht schon daran scheitern muß, daß der beklagte Rentenversicherungsträger der Abtretungsempfängerin Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis mit dem Versicherten ausdrücklich nicht entgegengesetzt hat.

Zu denken ist allerdings daran, daß das nach § 404 BGB gegebene bloße Recht zur Leistungsverweigerung unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Leistungsträger zu enger Zusammenarbeit (§ 86 SGB 10; dazu BSGE 57, 146, 150 = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 5 f; BSG SozR 4100 § 105b Nr 6 S 28 f) sich in Fällen der vorliegenden Art zu einer Pflicht zur Leistungsverweigerung gegenüber dem Zessionar verdichten und es dann nicht als entscheidend angesehen werden kann, daß der beklagte Rentenversicherungsträger Einwendungen gegenüber der Kundenkreditbank de facto nicht erhoben hat. Aber auch auf dieser rechtlichen Grundlage hält der beschließende Senat die Voraussetzungen des § 404 BGB nicht für erfüllt. Dem beklagten Rentenversicherungsträger stehen dann jedenfalls "begründete Einwendungen" gegenüber dem Zessionar (Kundenkreditbank) nicht zu.

Allerdings ist es hierfür nicht erforderlich, daß die Tatbestandsvoraussetzungen der Einwendung schon im Zeitpunkt der Abtretung sämtlich vorgelegen haben. Es genügt, daß sie ihrem Rechtsgrund nach zur Zeit der Abtretung in dem Schuldverhältnis angelegt gewesen sind, so daß sich der Schuldner gegenüber dem neuen Gläubiger auch auf Tatsachen berufen darf, die erst nach der Abtretung eingetreten sind, sofern es sich um Tatsachen handelt, welche, ohne in ausschließlicher Beziehung zum Wechsel des Gläubigers zu stehen, nach Wesen und Inhalt des Schuldverhältnisses den Schuldner zu einem Einwand berechtigen (vgl BGHZ 93, 71, 79 = NJW 1985, 863, 864 mit umfangreichen Rechtsprechungs- und Schrifttumshinweisen).

Für nicht begründet hält der beschließende Senat unter der hier gegebenen Voraussetzung, daß die Sozialhilfebedürftigkeit des Zedenten (Rentners) zeitlich nach der Entstehung der im voraus abgetretenen Rentenansprüche und nach Aufnahme der Zahlungen an den Zessionar (Kundenkreditbank) eingetreten ist, zunächst den Einwand, daß der Zessionar den ihm abgetretenen Anspruch von vornherein belastet mit dem vorrangigen Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers erworben habe. Zwar wird allgemein die Auffassung vertreten, daß grundsätzlich ein Vorrang der Erstattungsansprüche nach §§ 102 bis 105 SGB 10 ua gegenüber der Übertragung und Verpfändung nach § 53 SGB 1 besteht und der Anspruch des Zedenten von vornherein mit dem Erstattungsanspruch "belastet" ist (Kommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger - Verbandskommentar -, Sozialgesetzbuch, Stand 1. Juli 1987, § 106 SGB 10, Rdn 3; Schellhorn in v. Maydell/Schellhorn, GK-SGB X 3, 1984, § 106, Rdn 33; Hauck/Haines/Schmidt, SGB X/3, Stand 1. Oktober 1986, K § 106, Rz 34 und 35; v. Wulffen in Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/v. Wulffen, Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren, Ergänzungsband 1984, § 106, Anm 5; Tenter ZfF 1985, 173; Platzer ZfSH/SGB 1985, 446, 447 f; Bedenken äußert v. Wulffen SGb 1985, 165). Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Nach den Erläuterungen der Landesversicherungsanstalt (LVA) Oberfranken und Mittelfranken zu § 106 SGB 10 (Mitt der LVA Ofr 1983, 1, 31) muß dann, wenn eine laufende Rente bereits mit einer Verrechnung belastet ist und nunmehr der Sozialhilfeträger auf diese laufende Rente einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB 10 erhebt, allein der Verrechnung der Vorrang eingeräumt werden (dem folgend v. Wulffen in Schroeder-Printzen ua, aaO). Laufer/Noch (DAngVers 1983, 255, 261 f) unterscheiden hinsichtlich der Rangfolge der Erstattungsansprüche im Verhältnis zu sonstigen Belastungen von Rentenansprüchen zwischen der Rangfolge bei Inanspruchnahme einer Rentennachzahlung und der Rangfolge bei Inanspruchnahme einer laufenden Rentenzahlung. Auch im letzteren Falle müsse dem Erstattungsanspruch der Vorrang gegenüber Dritten eingeräumt werden. Jedoch würde sich die Rangfolgefrage nicht stellen, wenn die erstattungsberechtigten Leistungsträger nicht generell den gesamten Rentenzahlbetrag beanspruchen, sondern die Erstattungsansprüche auf das ua nach dem BSHG festzustellende, verfügbare und zumutbar einzusetzende Einkommen beschränken würden, wobei vorher wirksam entstandene sonstige Belastungen zu berücksichtigen wären. Dem stimmen Hauck/Haines/Schmidt (aaO, Rz 35 aE) offenbar zu und führen zusätzlich aus, mit der Regelung des § 107 SGB 10 habe der Gesetzgeber den endgültig zustehenden Sozialleistungsanspruch der Verfügung des Berechtigten insoweit entzogen, als zur Erfüllung dieses Anspruchs bereits "Vorleistungen" iS der §§ 102 bis 105 SGB 10 von anderen Sozialleistungsträgern erbracht worden seien (aaO, Rz 34). Daraus ist im Umkehrschluß zu folgern, daß dann, wenn die Leistungen des erstattungsbegehrenden Trägers nicht als "Vorleistung" zur Erfüllung des Anspruchs des Berechtigten gegen den endgültig verpflichteten Träger erbracht worden sind (typischer Beispielsfall hierfür: Zahlung von Sozialhilfe zur "Überbrückung" der Zeit zwischen Rentenantragstellung und -bewilligung), der Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nur in Höhe des um zeitlich vorher wirksam entstandene Belastungen geminderten Anspruchs des Berechtigten gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger besteht. Nur diese Auslegung trägt dem auch vom anfragenden Senat (S 14 f des Beschlusses vom 8. April 1987) betonten Umstand Rechnung, daß der Gesetzgeber mit den §§ 53 bis 55 SGB 1 das Ziel verfolgt hat, die Ansprüche auf Sozialleistungen in erweitertem Umfang dem Rechtsverkehr zugänglich zu machen und dem Zugriff der Gläubiger zu überlassen, und dieses Ziel vereitelt würde, wenn Sozialleistungen mit Erstattungsansprüchen belastet wären, bevor letztere überhaupt entstanden sind und sich ein Eingreifen des Sozialhilfeträgers abzeichnet.

Unter der in den entschiedenen Fällen und dem zu entscheidenden Rechtsstreit gegebenen Voraussetzung, daß die Sozialhilfebedürftigkeit des Zedenten zeitlich erst nach der Entstehung der im voraus abgetretenen Rentenansprüche und nach Aufnahme der Zahlungen an den Zessionar entstanden ist, vermag der beschließende Senat eine "begründete Einwendung" des in Anspruch genommenen Rentenversicherungsträgers iS des § 404 BGB auch nicht darin zu sehen, daß aus der Regelung des § 107 Abs 1 SGB 10 ein genereller Vorrang der Forderung des Trägers der Sozialhilfe folgt. Nach § 107 Abs 1 SGB 10 gilt, soweit (nicht: wenn!) ein Erstattungsanspruch besteht, der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt. In diesem Zusammenhang ist dem insbesondere von Andre (NDV 1985, 337, 338 f; dem widersprechend v. Einem SGb 1987, 147, 149) hervorgehobenen Gesichtspunkt, daß der "Berechtigte" iS des § 107 Abs 1 SGB 10 nicht identisch mit dem Leistungsempfänger zu sein braucht, sondern berechtigt stets derjenige, der einen Anspruch gegen den ausgleichspflichtigen Leistungsträger hat, und somit im Falle einer (Teil-) Abtretung des Rentenanspruchs (auch) der Zessionar ist (ebenso Hauck/Haines/Schmidt, aaO, K § 107, Rz 3 und 12), keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Die Ansicht, die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB 10 erfasse auch den Zessionar und müsse dazu führen, daß sich der Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers auch auf den abgetretenen Teil der Rente beziehe, verkennt die Bedeutung des § 107 Abs 1 SGB 10 und verwechselt rechtsdogmatisch unzutreffend Tatbestand und Rechtsfolgeregelung der Vorschrift. Sie ist schon ihrer Reihenfolge nach den Erstattungsvorschriften der §§ 102 bis 105 SGB 10 nachgeordnet. Damit setzt die Erfüllungsfiktion ihrem Grunde nach das Bestehen eines Erstattungsanspruchs voraus, auch wenn dieser im Einzelfall etwa aus den Gründen der §§ 110, 111 oder 113 Abs 1 SGB 10 nicht erfüllt zu werden braucht (Hauck/Haines/Schmidt, aaO, K § 107, Rz 8; Verbandskommentar, aaO, § 107 SGB 10, Rdn 3). Aber auch hinsichtlich ihres Umfanges und damit hinsichtlich der Frage, ob sie sich auf den Empfänger der Abtretung eines Teils des Anspruchs des Rentenbeziehers gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger erstreckt, ist die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB 10 vom Bestand des Erstattungsanspruchs abhängig. Denn sie greift nur ein,   s o w e i t   ein Erstattungsanspruch besteht. Damit ist es systematisch und dogmatisch unzulässig, mit der Begründung, Berechtigter iS des § 107 Abs 1 SGB 10 sei auch der Zessionar (= Tatbestand), herzuleiten (= Rechtsfolge), der Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers umfasse auch den abgetretenen Teil des Leistungsanspruchs gegen den vorrangig verpflichteten Träger. Vielmehr ist umgekehrt zu prüfen, ob nach dem Umfang ("soweit") des Erstattungsanspruchs (= Tatbestand) die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB 10 auch den abgetretenen Teil der Rente erfaßt (= Rechtsfolge) (so auch v. Einem SGb 1987, 147, 149). Das aber ist auf der Grundlage der aufrechterhaltenen Meinung des beschließenden Senats, daß im Rahmen der für ihn geltenden Rechtsvorschriften (§ 104 Abs 3 SGB 10) der vorrangig verpflichtete Leistungsträger auch eine nach § 53 Abs 3 SGB 1 wirksam erfolgte Abtretung zu beachten hat, zu verneinen (so im Ergebnis auch Tannen DRV 1985, 483). Dafür ist es ohne Belang, ob der Anspruch auf den abgetretenen Teil der Rente beim Zessionar im Wege des Durchgangserwerbs oder des Direkterwerbs entsteht.

In Fällen der vorliegenden Art kann schließlich der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger als "begründete Einwendung" iS des § 404 BGB nicht geltend machen, daß der Rentenanspruch des Zedenten vom Zeitpunkt des Eintritts der Sozialhilfebedürftigkeit an gemäß § 54 Abs 3 Nr 2 SGB 1 nicht (mehr) pfändbar und deswegen nach § 400 BGB auch nicht abtretbar gewesen sei. Entgegen der Kritik von Tenter (ZfF 1985, 173, 174) hat sich der beschließende Senat jedenfalls in seinem Urteil vom 30. Januar 1985 (BSG SozR 1300 § 104 Nr 4 S 10 f) sehr wohl mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Einschränkung des § 54 Abs 3 Nr 2 SGB 1 auch im Rahmen des § 53 Abs 2 und 3 SGB 1 entsprechend zu gelten hat. Er hat dies für den seinerzeit entschiedenen Fall offen gelassen, weil sich die Wirksamkeit der Abtretung sogar zukünftiger und damit erst recht bereits entstandener Forderungen nach dem im Zeitpunkt der Abtretungshandlung geltenden Recht richte (so auch der 11. Senat in BSGE 57, 211, 213 f = SozR 1200 Art 2 § 18 Nr 1 S 3) und unter Berücksichtigung dessen die Abtretung eines Teil des Anspruchs des Rentenberechtigten selbst bei einer lückenfüllenden Ergänzung des § 53 Abs 3 SGB 1 um das negative Tatbestandsmerkmal der fehlenden Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG nicht unwirksam sei, weil nicht ersichtlich sei, daß der Zedent bereits durch die Abtretung hilfebedürftig iS der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden sei. Hieran und somit insbesondere an der Auffassung, daß im Regelfall eine zeitlich erst nach dem Abschluß und der Wirksamkeit des Abtretungsvertrages entstandene Sozialhilfebedürftigkeit nicht nachträglich zu einer Unwirksamkeit der Abtretung wegen Verstoßes gegen das Abtretungsverbot (§ 400 BGB) führen kann, ist festzuhalten. Wenn einerseits entsprechend dem auch beim Zusammentreffen von Abtretung und Pfändung geltenden Prioritätsprinzip eine zeitlich vorausgehende Abtretung den Vorrang vor einer nachfolgenden Pfändung hat und letztere nur insoweit zum Zuge kommt, als die Sozialleistung von der vorausgegangenen Abtretung nicht erfaßt worden ist (BSGE 60, 87, 90 ff = SozR 1200 § 53 Nr 6 S 17 ff; vgl auch BSGE 61, 274, 278 = SozR aaO Nr 7 S 27), muß andererseits das Prioritätsprinzip ebenso dazu führen, daß die ursprüngliche Wirksamkeit einer zeitlich vorausgegangenen Abtretung nicht durch den nachträglichen Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit und damit eines Tatbestandes, der im Falle seines früheren Eintritts ein Pfändungs- und Abtretungsverbot (§ 54 Abs 3 Nr 2 SGB 1, § 400 BGB) begründet hätte, beseitigt werden kann. Der Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit kann allenfalls zu einer einvernehmlichen Aufhebung des Abtretungsvertrages führen (vgl BSG SozR 1200 § 53 Nr 2 S 7) oder den Zedenten zu einer Kündigung des Abtretungsvertrages aus wichtigem Grunde berechtigen (aaO, S 10). In den vom Senat entschiedenen Fällen ist indes weder das eine noch das andere geschehen.

Dem anfragenden Senat ist allerdings darin beizupflichten, daß das Prioritätsprinzip nicht uneingeschränkt gilt. Der beschließende Senat teilt insbesondere die Auffassung, daß sich die höchstrichterliche Rechtsprechung in Zivilsachen zum Konflikt zwischen mehreren kreditsichernden Vorausabtretungen, wonach die erste Vorausabtretung gemäß § 138 BGB nichtig sein kann, wenn der Zessionar das Sicherungsbedürfnis anderer Gläubiger nicht gebührend berücksichtigt hat, auf den Konflikt zwischen Abtretung und Erstattungsanspruch übertragen läßt. Danach kann die Abtretung des nach § 53 Abs 3 SGB 1 übertragbaren Teils einer Rente zu einem Zeitpunkt, in welchem die Sozialhilfebedürftigkeit des Rentners unmittelbar bevorgestanden hat, wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein, wenn ein Erstattungsanspruch durch die Abtretung beeinträchtigt wird. Dasselbe kann für den Fall einer Kreditgewährung, die den Rentner über lange Jahre und ggf lange über die normale Lebenserwartung hinaus mit Ratenzahlungen belastet und ihm nur Bezüge in Höhe der Pfändungsfreigrenze des § 850 c ZPO beläßt, in Betracht gezogen werden. Derartige Fallkonstellationen haben jedoch in den vom beschließenden Senat entschiedenen Fällen mangels entsprechender tatrichterlicher Feststellungen nicht vorgelegen.

Der Senat verkennt überdies nicht, daß die von ihm gefundene Lösung auch in anderen Fällen sozialpolitisch nicht immer zu befriedigen vermag. Dem kann jedoch die Rechtsprechung nicht abhelfen. Das ist Sache des Gesetzgebers.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660290

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