Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 07.07.2022; Aktenzeichen L 14 R 228/22)

SG München (Entscheidung vom 23.03.2022; Aktenzeichen S 11 R 481/21)

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 31.07.2023; Aktenzeichen B 5 R 27/23 BH)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Juli 2022 vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Nach einem früheren erfolglosen Rentenverfahren auf ihren Antrag vom Oktober 2009 beantragte die im Jahr 1982 geborene Klägerin mit Schreiben vom 7.5.2020 erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte eine Rentengewährung mit der Begründung ab, eine Erwerbsminderung auf Dauer sei erst am 9.10.2018 nachgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt hätten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vorgelegen (Bescheid vom 20.7.2020; Widerspruchsbescheid vom 9.3.2021). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das SG hat ein nervenärztliches Gutachten nach Aktenlage eingeholt. Darin ist B nach Auswertung der medizinischen Unterlagen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der im früheren Rentenverfahren veranlassten nervenärztlichen und psychiatrischen Begutachtungen durch H vom 16.12.2009, W vom 39.12.2010 und von W vom 4.9.2011 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine quantitative Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin jedenfalls vor dem 1.6.2010 nicht vorgelegen habe. Bis dahin habe sie noch leichte Arbeiten in einem Umfang von sechs Stunden täglich verrichten können (Gutachten vom 29.11.2021 und ergänzende Stellungnahme vom 18.1.2022). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 23.3.2022). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des SG verwiesen. Eine weitere Begutachtung hat das LSG als nicht erforderlich angesehen. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei in der Vergangenheit ausreichend und zeitnah zum letztmöglichen Leistungsfall untersucht worden. Auch hat das LSG eine vorzeitige Wartezeiterfüllung verneint, da selbst bei Annahme einer verminderten Erwerbsfähigkeit am 20.4.2010 (sechs Jahre nach Beendigung der Schulausbildung) nicht die erforderlichen 12 Monate an Pflichtbeitragszeiten vorgelegen hätten (Urteil vom 7.7.2022).

Mit Schreiben vom 22.9.2022 (eingegangen per Telefax beim BSG am 24.9.2022) hat die Klägerin "Revision/Beschwerde" eingelegt, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übermittelt. Mit Telefax vom 12.10.2022 hat die Klägerin weitere Unterlagen übersandt.

II

1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.

Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist dies nicht der Fall.

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sind nicht zu erkennen. Die Voraussetzungen, unter denen eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, ergeben sich unmittelbar aus § 43 SGB VI und sind in der Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R - BSGE 129, 274 = SozR 4-2600 § 43 Nr 22). Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat (Zulassungsgrund der Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Ebenso fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass ein Verfahrensmangel vorliegen könnte, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen kann. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher entscheidungserheblicher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.

Die Klägerin ist ausweislich der in den Akten des LSG befindlichen Postzustellungsurkunde am 7.6.2022 zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden. In der Ladung ist darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden könne (§ 110 Abs 1 Satz 2 SGG). Das persönliche Erscheinen ist nicht angeordnet worden (§ 111 Abs 1 SGG). Mit Schreiben vom 22.6.2022 hat die Klägerin zwar auf eine "einschränkende gesundheitliche Situation" hingewiesen und einen ärztlichen Befundbericht (zum Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung ab 21.4.2004) übermittelt. Ein Antrag auf Verlegung des für den 7.7.2022 anberaumten Termins war diesem Vorbringen aber nicht zu entnehmen (vgl dazu BSG Beschluss vom 4.3.2020 - B 5 R 4/20 BH - juris RdNr 5 mwN). Er ist auch nicht gestellt worden, nachdem das LSG der in Gerichtsnähe wohnenden Klägerin auf ihre Anfrage zu Recht mitgeteilt hat, dass eine Teilnahme am Termin zur mündlichen Verhandlung per Telefon nicht möglich sei. Ein Verfahrensmangel ergibt sich im Übrigen auch nicht daraus, dass der Klägerin eine beglaubigte Abschrift des LSG-Urteils zugestellt worden ist, die die Unterschriften der Richter in Maschinenschrift wiedergibt (vgl § 63 Abs 2 SGG iVm § 317 Abs 1 Satz 1 und § 169 Abs 2 und 3 ZPO). Die Ansicht der Klägerin, es handele sich dabei lediglich um einen unverbindlichen "Urteils-Entwurf", der noch nicht rechtsmittelfähig sei, trifft nicht zu (s dazu BSG Beschluss vom 31.8.2021 - B 5 R 21/21 BH - juris RdNr 7 ff).

Soweit die Klägerin geltend macht, das Berufungsurteil entspreche nicht der Wahrheit, sie hätte von den zuständigen Trägern besser beraten werden müssen und vorträgt, sie sei bereits im Jahr 2004 nicht mehr in der Lage gewesen, einer Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nachzugehen, macht sie eine Fehlerhaftigkeit der Berufungsentscheidung geltend. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 6 mwN).

2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG ist unzulässig, denn sie entspricht nicht der gesetzlichen Form. Die Beschwerde konnte, worauf die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden ist, wirksam nur durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist eingelegt werden (§ 73 Abs 4, § 160a Abs 1 Satz 2 SGG). Ausnahmen hiervon sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor.

Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Düring

Gasser

Körner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15641154

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