Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 24.05.2022; Aktenzeichen S 8 KR 196/21) |
LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 15.02.2023; Aktenzeichen L 5 KR 144/22) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Februar 2023 (L 5 KR 144/22) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorstehend bezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der bei der Beklagten seit dem 1.5.2015 familienversicherte Kläger von dieser die Erteilung eines Verwaltungsaktes über das Bestehen der Versicherung.
Der Kläger machte im September 2020 die erforderlichen Angaben zur Familienversicherung. Die Beklagte übersandte ihm mit Schreiben vom 1.12.2020 eine Versicherungsbescheinigung und stellte eine Versicherungskarte aus. Am 8.6.2021 erhob der Kläger Untätigkeitsklage gegen die Beklagte auf Erteilung einer Auskunft über seine Versicherung.
Das SG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil eine Untätigkeitsklage auf die Vornahme eines Verwaltungsaktes zu richten sei. Die nachfolgende Klageänderung mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, über seine Versicherung seit dem 1.5.2015 einen Verwaltungsakt zu erteilen, sei unzulässig, weil die Beklagte in diese Änderung nicht eingewilligt habe und sie auch nicht sachdienlich sei. Der Kläger habe dies nicht zuvor bei der Beklagten beantragt. Für sein Begehren auf Auskunft, warum ihm seit 2015 kein Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt worden sei, fehle das Rechtsschutzbedürfnis (Urteil vom 24.5.2022). Das LSG hat die Berufung des Klägers unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des SG-Urteils zurückgewiesen. Die Beklagte habe Leistungen nicht seit Mai 2015 erbringen können, weil der Kläger die zu seiner Familienversicherung erforderlichen Angaben erst im September 2020 gemacht habe (Beschluss vom 15.2.2023).
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.
II
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die Durchsicht der Akten und die Würdigung des Vorbringens des Klägers haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Revisionszulassungsgrundes ergeben, der die Bewilligung von PKH rechtfertigen könnte. Nach § 160 Abs 2 SGG darf das BSG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).
a) Es ist nicht ersichtlich, dass ein vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darlegen könnte. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Fall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten ist - Klärungsfähigkeit - (vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 6 mwN). Dass die angefochtene Entscheidung des LSG eine abstrakt-generelle klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) mit Breitenwirkung aufwerfen würde, ist nicht zu erkennen. Insbesondere sind weder zur Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage oder einer Klageänderung noch zur Prozessvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses Fragen von grundsätzlicher Bedeutung erkennbar.
Das Vorbringen des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis. Er macht geltend, die Behauptung der Beklagten, seit dem 1.5.2015 familienversichert zu sein, sei "mehr als fragwürdig", sei "eine reine Lüge". Er habe die Aufnahme in die Familienversicherung nicht beantragt, ihm sei keine Versicherungskarte ausgestellt worden und die Beklagte habe auch seit September 2020 keine Leistungen für ihn erbracht.
Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der Unzulässigkeit der Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers lässt sich auch damit nicht darlegen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Familienversicherung des Klägers anzweifeln oder ihm Leistungen verwehren würde, liegen nicht vor. Insbesondere fehlt es an konkreten Angaben des Klägers dazu, welche Leistungen er nicht habe in Anspruch nehmen können.
b) Hinweise darauf, dass das Berufungsurteil iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweichen würde, sind ebenfalls nicht erkennbar.
c) Schließlich ist auch ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen könnte, nicht zu erkennen. Selbst wenn ein solcher vorläge, ist nach der - verfassungsrechtlich gebilligten - ständigen Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl BSG Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 RdNr 4 ff mwN) im Verfahren der PKH-Bewilligung ein über die unmittelbare Erfolgsaussicht des konkret angestrebten Rechtsmittels hinaus erweiterter Beurteilungsspielraum eröffnet, der es erlaubt, eine öffentlich-rechtliche Unterstützung bei der Beschreitung des Rechtswegs auch dann zu verweigern, wenn der Antragsteller in der Sache letztlich ohne Erfolg bleiben muss. Die soziale Vergünstigung der PKH soll nämlich - jedenfalls primär - dazu dienen, den mittellosen Prozessbeteiligten die Möglichkeit zu geben, materielle Ansprüche durchzusetzen. Zumindest bei Verfahrensfehlern ist daher grundsätzlich nicht nur auf die unmittelbare Erfolgsaussicht der beabsichtigten Beschwerde abzustellen, sondern auch darauf, ob die Rechtsverfolgung insgesamt Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl etwa BSG Beschluss vom 23.1.1998 - B 13 RJ 261/97 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 9.5.2007 - B 12 KR 1/07 B - juris RdNr 3 mwN). Daher ziehen selbst schwere Verfahrensfehler nicht zwingend die Bewilligung von PKH nach sich, wenn das Klagebegehren offensichtlich haltlos ist und ohne jeden Rückhalt im Gesetz verfolgt wird.
So liegt es hier. Die Rechtsverfolgung des Klägers erscheint aufgrund des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses offenkundig aussichtslos. Ohne konkrete Angaben des Klägers dazu, welche Leistungsinanspruchnahme er erfolglos versucht habe, kommen konkrete gerichtliche Ermittlungen hierzu nicht in Betracht.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.
2. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht der gesetzlichen Form, da dieses Rechtsmittel nur durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt werden kann (§ 73 Abs 4 SGG). Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist daher durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG).
3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16025754 |