Verfahrensgang

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.06.2021; Aktenzeichen S 49 R 1280/20)

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 26.04.2022; Aktenzeichen L 18 R 668/21)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2022 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Die Klägerin begehrt vom beklagten deutschen Rentenversicherungsträger die Unterstützung bei der Erlangung einer Altersrente des rumänischen Versicherungsträgers für ihre dort zurückgelegten Versicherungszeiten. Das SG Düsseldorf hat ihre Klage abgewiesen; das LSG Nordrhein-Westfalen ihre Berufung zurückgewiesen (Gerichtsbescheid vom 6.6.2021, LSG-Urteil vom 26.4.2022). Das LSG hat die Revision nicht zugelassen; die Entscheidung ist der Klägerin am 1.6.2022 zugestellt worden. Mit einem von ihr selbst verfassten und unterzeichneten, am 4.7.2022 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 28.6.2022, das am 29.6.2022 als Einschreiben zur Post gegeben worden ist, hat die Klägerin für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts sind eine am 15.7.2022 unterzeichnete Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie weitere Erläuterungen der Klägerin am 20.7.2022 beim BSG eingegangen.

II

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Voraussetzung für die Bewilligung von PKH und die damit verbundene Beiordnung eines Rechtsanwalts ist nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs 4 ZPO, Prozesskostenhilfeformularverordnung vom 6.1.2014 ≪BGBl I 34≫) innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Revisionsgericht eingereicht werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 30.1.2017 - B 5 R 30/16 R - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.4.2022 - B 5 R 23/22 BH - juris RdNr 3, jeweils mwN). Die Klägerin ist diesen Anforderungen, auf die sie in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils zutreffend hingewiesen worden ist, nicht nachgekommen. Damit hat die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung schon deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil ihr auch bei einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt keine Wiedereinsetzung in die bereits abgelaufene Frist zur Einlegung der Beschwerde bewilligt werden könnte.

Nach § 160a Abs 1 Satz 2 SGG ist die Beschwerde beim BSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Wie aus der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde hervorgeht, ist das LSG-Urteil der Klägerin am 1.6.2022 zugestellt worden. Die einmonatige Beschwerdefrist hat mithin am 2.6.2022 zu laufen begonnen und hat am 1.7.2022, einem Freitag, geendet (§ 64 Abs 2 Satz 1 SGG). Bis zu diesem Zeitpunkt ist weder der Antrag auf Bewilligung von PKH noch die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim BSG eingegangen. Darauf, dass entsprechende Unterlagen innerhalb der Frist abgesandt worden sind, kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr, wann der Antrag bzw die Erklärung bei Gericht eingehen. Auch darüber ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des LSG-Urteils zutreffend belehrt worden.

Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Klägerin iS des § 67 SGG kein Verschulden daran trifft, dass der in ihrem Schreiben vom 28.6.2022 enthaltene PKH-Antrag erst am 4.7.2022 beim BSG eingegangen ist (zum berechtigten Vertrauen darauf, dass die an einem Werktag bei der Deutschen Post AG im Bundesgebiet als Einschreiben aufgegebenen Sendungen grundsätzlich am folgenden Werktag ausgeliefert werden, s zB BSG Beschluss vom 9.5.2022 - B 5 R 11/22 BH - juris RdNr 10 mwN). Jedenfalls hat die Klägerin die notwendige Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erstellt und dem Gericht vorgelegt. Gründe, die das als unverschuldet erscheinen lassen könnten, enthält auch ihr Schreiben vom 15.7.2022 nicht.

Dass dem Schreiben vom 28.6.2022 die Kopie der ersten Seite eines Bescheids über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII vom 31.1.2022 beigefügt war, aus der sich weder die Höhe noch die Berechnung der vom Sozialhilfeträger bewilligten Leistungen der Grundsicherung im Alter ergibt, reicht nicht aus. Die Vorbemerkung auf Seite 2 des PKH-Formulars (vor Abschnitt E) befreit ausdrücklich nur dann vom Ausfüllen der Abschnitte E bis J des Formulars, wenn der aktuelle Bescheid einschließlich des Berechnungsbogens vollständig beigefügt wird. Zudem muss in einem solchen Fall gleichwohl die Erklärung wenigstens in den Abschnitten A bis D ausgefüllt und innerhalb der Rechtsmittelfrist bei Gericht vorgelegt werden. Hierfür ist die Vorlage einer Kopie des Personalausweises kein geeigneter Ersatz. In den Abschnitten A bis D des PKH-Formulars sind etliche Angaben über Umstände zu machen, die im Personalausweis nicht aufgeführt sind (zB über die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder einem Sozialverband, der die Kosten der beabsichtigten Prozessführung tragen könnte). Da auch das von der Klägerin in Bezug genommene Hinweisblatt zum PKH-Formular unmissverständlich darauf hinweist, dass jeder Antragsteller das Formular gewissenhaft auszufüllen hat und nur unter bestimmten Voraussetzungen Angaben in einzelnen Abschnitten des Formulars entbehrlich sind, kann die dem widersprechende Vorgehensweise der Klägerin in ihrem Schreiben vom 28.6.2022 nicht als unverschuldet angesehen werden.

Da der Klägerin nach alledem PKH nicht zusteht, kann sie auch keine Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Hahn                                         Körner                                 Gasser

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15320227

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