Verfahrensgang

SG Köln (Entscheidung vom 09.07.2021; Aktenzeichen S 5 SB 2087/20)

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 14.01.2022; Aktenzeichen L 13 SB 267/21)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Januar 2022 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 50 ab dem Zeitpunkt seines Verschlimmerungsantrags vom 7.5.2020. Diesen Anspruch hat das LSG mit Urteil vom 14.1.2022 wie vor ihm das SG (Gerichtsbescheid vom 9.7.2021) und die Beklagte (Bescheid vom 24.9.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2020) verneint, weil eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse gegenüber den Feststellungen im Bescheid vom 10.9.2018, mit dem die Beklagte zuletzt einen GdB von 50 festgestellt habe, nicht vorliege. Der GdB betrage weiterhin nicht mehr als 50. Der Kläger leide maßgeblich an einer somatoformen Schmerzerkrankung, teilweise als Fibromyalgie oder neurotische Störungen bezeichnet, die mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend bewertet sei. Soweit die Beklagte auch eine relevante rheumatologische Erkrankung angenommen und mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet habe, sei zwar ein entsprechender Nachweis kaum möglich, jedenfalls komme eine Feststellung eines höheren Einzel-GdB nicht in Betracht. Die darüber hinaus bestehenden Erkrankungen wie eine Psoriasis, degenerative Wirbelsäulenbeschwerden, ein Bronchialasthma, eine Bluthochdruckerkrankung, eine Diabeteserkrankung und ein abdominelles Leiden seien medikamentös beherrschbar und nicht derart ausgeprägt, dass sie höhere Einzel-GdB-Werte als von 10 oder 20 begründen könnten. Diverse weitere vom Kläger vermutete Erkrankungen seien auszuschließen, sodass die insgesamt bei ihm vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkung auf die Teilhabefähigkeit keinen höheren Gesamt-GdB als 50 rechtfertigten.

Nach Zustellung des Urteils am 1.2.2022 hat der Kläger mit einem beim BSG am 19.1.2022 eingegangenen Schreiben vom 14.1.2022 Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde beantragt und zugleich Beschwerde eingelegt.

II

1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die vom Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

Nach Durchsicht der Akten und der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg darlegen oder bezeichnen könnte. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass ein die Revisionszulassung rechtfertigender Verfahrensfehler des LSG vorliegen könnte. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entsprechende Verfahrensmängel lassen sich weder dem PKH-Antrag des Klägers noch den Verfahrensakten entnehmen.

Das LSG hat mit Beschluss seiner Berufsrichter vom 8.12.2021 die Berufung nach § 153 Abs 5 SGG auf den Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern in Anwesenheit des Klägers auf die mündliche Verhandlung vom 14.1.2022 nach Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses seine Entscheidung getroffen hat. Vor der Übertragung der Sache auf den Berichterstatter ist der Kläger zwar nicht angehört worden, worin ein Verfahrensmangel (Verstoß gegen das rechtliche Gehör) liegen kann. Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben, weil der Kläger im Termin auch sinngemäß eine entsprechende Rüge nicht erhoben hat, sodass ein insoweit unterstellter Gehörsverstoß geheilt wäre (BSG Beschluss vom 4.2.2019 - B 8 SO 21/18 BH - juris RdNr 7 mwN).

Ebenso wenig ersichtlich ist eine mangelnde Sachaufklärung durch das LSG (§ 103 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Soll demnach ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht gerügt werden (§ 103 SGG), so muss dafür ein für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer, bis zuletzt aufrechterhaltener Beweisantrag bezeichnet werden, dem das LSG nicht gefolgt ist. Da § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG einen Beweisantrag ohne jede Einschränkung voraussetzt, muss auch ein unvertretener Beteiligter zumindest sinngemäß einen hinreichend konkreten Beweisantrag stellen. Dafür muss er dem LSG auch noch am Ende des Verfahrens jedenfalls laienhaft aufzeigen, welche konkreten Punkte er weiter für aufklärungsbedürftig hält und auf welche Beweismittel zurückgegriffen werden soll, um den Sachverhalt weiter aufzuklären (vgl BSG Beschluss vom 10.7.2019 - B 9 SB 6/18 BH - juris RdNr 9 mwN).

Für einen solchen zumindest sinngemäß gestellten, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisantrag ist nichts ersichtlich. Soweit der Kläger mit der Aus- und Bewertung der aktenkundigen medizinischen Befundunterlagen durch das LSG nicht einverstanden ist, wendet er sich gegen dessen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Hiermit kann er jedoch nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG von vornherein eine Revisionszulassung nicht erreichen. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzureichende Rechtsanwendung des LSG in seinem Einzelfall rügen wollte (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 22.11.2019 - B 9 V 6/19 BH - juris RdNr 8 mwN).

2. Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

3. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig; sie entspricht nicht der gesetzlichen Form. Der Kläger konnte die Beschwerde, worauf in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils des LSG ausdrücklich hingewiesen worden ist, wirksam nur durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten einlegen lassen (§ 73 Abs 4 SGG).

4. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Kaltenstein                                          Röhl                                       Othmer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15177580

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