Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rechtsmittelbelehrung ist nicht fehlerhaft, wenn sie keinen Hinweis darüber enthält, daß bei Zustellung des Schriftstückes durch eingeschriebenen Brief dieser erst mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post - bei späterem Zugang erst mit diesem Zeitpunkt - als zugestellt gilt.
2. Die Rechtsmittelfrist beginnt bei der Zustellung durch Einschreiben mit dem dritten Tage nach Aufgabe des Briefes auch dann, wenn der Brief bis zu diesem Zeitpunkt dem Hausmeister des Bürohauses, in dem der Prozeßbevollmächtigte normalerweise tätig ist, zugestellt worden ist. Für den Begriff "Zugang" iS des VwZG § 4 genügt es, daß das zuzustellende Schriftstück in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Adressaten gelangt ist, so daß er von ihm Kenntnis nehmen kann.
3. Einer Partei kann nicht deshalb die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, weil der Prozeßbevollmächtigte sich während der Rechtsmittelfrist im Ausland aufgehalten und nicht dafür gesorgt hat, daß während seiner vorübergehenden Abwesenheit Fristen gewahrt werden konnten.
Normenkette
SGG § 66 Fassung: 1953-09-03; VwZG § 4 Abs. 1 Hs. 1 Fassung: 1952-07-03; SGG § 67 Fassung: 1953-09-03, § 87 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 20. Februar 1968 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Kläger sind die Eltern des ... 1962 gestorbenen Hilfsarbeiters F. C.. Ihren Antrag auf Gewährung von Hinterbliebenenrente und Sterbegeld hat die Beklagte mit Bescheid vom 25. April 1966 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover mit Urteil vom 17. Juli 1967 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat am 20. Februar 1968 die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG als unzulässig verworfen, weil sie erst nach Ablauf der am 30. August 1967 endenden Berufungsfrist eingelegt worden ist. Es hat die Revision nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger am 3. April 1968 form- und fristgerecht Revision eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LSG den Rechtsstreit zur Entscheidung in der Sache selbst zurückzuverweisen. Hierzu hat er ausgeführt, in der Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung sei verspätet eingelegt worden, liege eine Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der behauptete wesentliche Mangel im Berufungsverfahren (vgl. SozR Nr. 21 zu § 162 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) liegt jedoch nicht vor. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Berufung verspätet eingelegt worden ist.
Das SG hat sein Urteil vom 17. Juli 1967 am 27. Juli 1967 an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger gemäß § 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) vom 3. Juli 1952 (BGBl I 379) mittels eingeschriebenen Briefes zur Post aufgegeben, so daß es als am 30. Juli 1967 zugestellt gilt. Nach dem Wortlaut des § 4 VwZG kommt es dabei nicht auf den Zeitpunkt des "Empfangs" des Urteils an, sondern auf seinen Zugang, dessen Zeitpunkt im Regelfall fingiert wird und nur in Ausnahmefällen nachzuweisen ist. Für den Begriff "Zugang" genügt es, daß das zuzustellende Schriftstück in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Adressaten gelangt ist, so daß er von ihm Kenntnis nehmen kann. Deshalb brauchte die Ausfertigung des sozialgerichtlichen Urteils auch nicht an den Zustellungsadressaten selbst ausgehändigt zu werden. Sie konnte vielmehr - wie hier geschehen - dem Hausmeister des Bürohauses übergeben werden (vgl. insoweit BSG 25, 31 = SozR Nr. 31 zu § 66 SGG), der den Brief, wie der Prozeßbevollmächtigten der Kläger für das Verfahren vor dem LSG selbst angegeben hat, im Büro des Prozeßbevollmächtigten abgeliefert hat. Die Auffassung der Revision, der eingeschriebene Brief hätte dem Prozeßbevollmächtigten selbst ausgehändigt werden müssen, geht fehl.
Die Revision kann sich auch nicht darauf berufen, daß die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG fehlerhaft gewesen sei und damit die Jahresfrist des § 66 SGG ausgelöst habe. Das SG hat auf die einzuhaltende Frist für die Einlegung der Berufung ausdrücklich hingewiesen und damit dem Erfordernis des § 66 SGG Genüge getan. Schließlich ist auch nicht, wie die Revision meint, die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG verletzt, denn die Zustellung des SG-Urteils an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger ist nicht außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, also im Ausland, erfolgt.
Auch die Rüge ist nicht begründet, das LSG hätte für die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen (§ 67 SGG). Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, hätte der Prozeßbevollmächtigte dafür sorgen müssen, daß auch während seiner Abwesenheit Fristen gewahrt werden.
Da es sonach dem LSG verwehrt war, in der Sache zu entscheiden, liegt der gerügte Verfahrensmangel nicht vor. Die Revision mußte daher gemäß § 169 Satz 2 SGG als unzulässig verworfen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen